Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition)
versuchen.
Wenn sie nach einem Namen fragt, sagt ihr, mein Name ist Allison Hewitt, und teilt ihr mit, dass ich hier in der Falle hocke. Allison Hewitt und fünf weitere vermisste Seelen sitzen im Pausenraum von Brooks & Peabody fest. Langdon Street, Ecke Park Avenue. Wir sind alle bei relativ guter Gesundheit. Noch wichtiger: Keiner von uns ist infiziert.
Sollte man euch fragen, was genau vorgefallen ist, dann sagt ihnen bitte Folgendes: Am Abend des 15. September2009 , kurz vor Ladenschluss, wurde die Buchhandlung Brooks & Peabody von Infizierten überfallen. Ich weiß nicht, wie ich sie sonst nennen soll. Die Infizierten? Die Verdammten? Eigentlich bin ich nicht sicher, ob es ein Virus oder eine Seuche ist, aber ich weiß, dass es sich ausbreitet, und ich weiß, welche Art von Verwüstung es mit sich bringt.
Unsere Telefone hier funktionieren nicht, weder die Festnetzleitungen noch das Fax, und unsere Handys geben seit gestern allmählich den Geist auf – leere Akkus. Keiner ist je auf die Idee gekommen, ein Aufladegerät mit zur Arbeit zu bringen oder eins im Pausenraum aufzustellen. Phil, mein Geschäftsführer, schwört, dass es irgendwo im Lagerraum hinter uns eins gibt, aber der ist nur zu erreichen, indem man den ganzen Laden durchquert, und keiner von uns ist so tollkühn, das zu versuchen. Ich nehme an, irgendwann werden wir verzweifelt genug sein, um in den Laden zu gehen. Die Nahrung hier drin wird nicht ewig reichen. Ich hätte nie gedacht, dass mir von Beef Jerky so übel werden könnte. Den einzigen Strom, den wir haben, liefern Notgeneratoren, die Phil letztes Jahr gekauft hat, als die Überflutungen schlimmer wurden und alle fürchteten, noch vor Ende des Schlussverkaufs ohne Energie dazusitzen. Ich weiß nicht, wo genau die drahtlose Verbindung herkommt – sie nennt sich SN et. Ich habe sie vorher noch nie benutzt. Vielleicht aus der kleinen Reihe Wohnungen, die über dem Laden liegen. Womöglich lebt dort noch jemand. Vielleicht versuchen sie auch, mit euch Kontakt aufzunehmen.
Wir leben hinter einer soliden, sicheren Tür. Das Schloss ist Industriestandard. Hier hinten sind die Safes untergebracht, deshalb wurde die Tür verstärkt und gesichert. Es war der naheliegendste Ort, um sich zu verstecken – keine Fenster, ein Kühlschrank mit Essen und vor allen Dingen die schwere gepanzerte Stahltür. Ich kann nicht genug betonen, wie sehr wir von dieser Tür abhängig sind. Diese eine Stahltür wurde innerhalb weniger Tager zum Symbol unseres Überlebens.
Nun könnten Sie fragen: Wenn es keine Fenster gibt und nur eine Tür, woher sollen wir dann wissen, dass sie kommen?
Ich weiß es wegen der Überwachungskameras. Offenbar werden sie von den Notfallgeneratoren versorgt, denn sie funktionieren noch, und der Monitor, auf dem man alles beobachten kann, steht im Tresorraum. Dieser ist eine Seitenkammer des Pausenraums mit den Tischen, Stühlen und dem Kühlschrank. Manchmal, wenn ich nicht schlafen kann, setze ich mich dorthin und beobachte den Monitor. (Der Safe ist nicht mehr verschlossen, ich glaube nicht, dass Geld noch viel bedeutet, und keiner von uns hat je versucht, etwas davon zu stehlen.) Danke, Brooks & Peabody, für die Installation dieser Kameras. Mit ihrer Hilfe können wir fast den gesamten Laden im Auge behalten. Das Bild ist schwarzweiß und nicht sehr scharf, aber ich kann sie sehen. Ich beobachte, wie sie im Laden herumschlurfen, sich um die Bücherregale drücken, an den Krimis und Science-Fiction-Romanen vorbei, und bei den Lesezeichen und Leselampen herumlungern. Sie werden sich nicht verziehen, nicht mal, wenn wir alle längst weg oder tot oder welche von ihnen geworden sind.
Wonach suchen sie? Was wollen sie?
Manchmal sehe ich sie seitlich vom Schirm verschwinden und weiß, jetzt sind sie genau vor der Tür des Pausenraums, stöhnen dieses Hindernis an und hämmern ihre Köpfe und ihre verrotteten Fäuste gegen den Stahl. Es erscheint mir unfair, denn die anderen versuchen zu schlafen. Was wollen die bloß? Denken sie, wir beantworten das Gestöhne und Geklopfe? Verfügen sie überhaupt noch über Denkvermögen, oder ist es etwas anderes, das sie an der Tür kratzen lässt?
Einer der Studenten in meinem Wohnblock hatte mal einen Greyhound. Er hieß Joey und war der hübscheste Hund, den ich je kannte. Der Windhund wurde von einer Rennbahn gerettet – von einem Ort, an dem Hunde niemals sein wollen, einem Ort, wo sie missbraucht und wie Objekte behandelt werden.
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