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Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition)

Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition)

Titel: Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine Roux
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aufbringen. Er war so schüchtern, als wir zusammenkamen, und ich weiß, dass seine Eltern uns niemals ihren Segen geben würden – aber das ist es ja gerade! Es bedeutet, er glaubt nicht, dass wir seine Eltern je wiedersehen. Ich schätze, er hat aufgegeben.«
    »Nein«, versichere ich ihr in ruhigem, festem Ton und drücke ihr Knie. Ich meine es aufrichtig. »Das ist nicht wahr. Er hätte dich nicht gebeten, ihn zu heiraten, wenn er die Hoffnung aufgegeben hätte. Er hat Hoffnung für euch beide, auf ein gemeinsames Leben. Das ist keine Erniedrigung, Holly. Ich wünschte, dir wäre klar, wie glücklich du dich schätzen kannst.«
    Sie legt ihre warme Hand auf meine und nickt. Ein Lächeln huscht über ihre Lippen, während ihr noch die letzten Tränen vom Kinn tropfen. Vorsichtig nimmt sie eine zackige Scherbe der Christbaumkugel hoch und dreht sie, lässt sie das Licht einfangen und Funken sprühen.
    »Du wirst ihm doch nichts davon erzählen, oder? Dass ich verrückt gespielt habe?«, fragt sie und lässt das Glasstück fallen. Ich kann nicht aufhören hineinzustarren.
    »Nein, natürlich nicht«, sage ich und lache, »es ist unser Geheimnis.«
    Bevor ich heute ins Bett gehe, habe ich einen Besucher. Zack kommt zum Schwatzen. Ich habe an diesem Tag nicht viel gesehen von ihm und Ted. Während Holly und ich damit befasst waren, Ms Weathers’ gehortete Besitztümer zu sortieren, haben sich Zack und Ted auf einen freiwilligen Streifzug durch die anderen Apartments begeben, um noch einmal gründlicher nach brauchbaren Sachen zu stöbern und alle denkbaren Verstecke zu überprüfen und noch mal zu überprüfen.
    Allmählich kriecht die Kälte durch die Fenster herein. Zack kommt hereingestrolcht, in einen mächtigen Afghanenmantel gehüllt.
    »Beschäftigt?«, fragt er mit Blick auf das Laptop auf meinen Knien. Dapper sieht voraus, dass er genötigt werden wird, Platz zu machen, und rollt ein Stück zur Seite.
    »Nicht wirklich«, antworte ich und klappe den Monitor zu. »Was gibt’s?«
    »Ist mit Ted alles in Ordnung? Er wirkte heute leicht befremdlich.«
    »Inwiefern?«
    »Ich weiß nicht – sprunghaft, abgelenkt«, sagt er und setzt sich an das Fußende des Bettes. »Ich weiß ja, er ist nicht mein größter Fan, aber es war merkwürdig.«
    »Ich glaub schon, dass er dich mag«, sage ich. »Das ist nur der Stress. Vermutlich haben er und Holly untereinander etwas zu regeln. Am besten, man lässt sie in Ruhe.«
    »Ah«, sagt er, »ich verstehe … Ärger im Paradies.«
    »So, du würdest das hier Paradies nennen?«
    Er blickt mich an, blinzelt, als wäre ich Kilometer entfernt. Ich versuche verzweifelt, einen neutralen Gesichtsausdruck zu bewahren und meine Wangen daran zu hindern, leuchtend zu erröten. Meine heikle Frage unauffällig anzubringen wird bei ihm schwer, viel schwerer als bei Holly.
    »Was treibt dich um?«, fragt er und rückt ein Stück näher heran.
    Schön, dann also.
    »Ich hab letzte Nacht jemanden im Radio gehört«, erzähle ich ihm. Seine Augen werden doppelt so groß. »Es war ein Mann in der Universität. Sie haben da so eine Art Hilfsstation organisiert, und außerdem hat er mich in den Schlaf gelesen.«
    »Ach ja?« Mit einem blöden Lächeln zieht Zack eine Augenbraue hoch.
    »Doch nicht so. Nein, es war – nett, aber irgendwie schräg, weißt du? Jemanden von da draußen zu hören, jemanden mit einer gewissen Autorität. Er sagte, sie hätten Nahrung und Unterschlupf.«
    »Ist er ein Bulle?«
    »Glaub ich nicht, er hat jedenfalls nichts Derartiges gesagt«, antworte ich.
    Zack blickt auf seine Fingernägel.
    »Und?«
    »Was, und?«
    »Meinst du, wir sollten hingehen?«, dränge ich.
    »Hier ist es nicht so schlecht.«
    »Das habe ich mir auch überlegt. Das Letzte, was ich will, ist mit hundert schwitzenden College-Studenten eingepfercht sein, oder womöglich sogar noch mit meinen verdammten Professoren«, sage ich kopfschüttelnd. »Aber uns könnte hier das Essen ausgehen, besonders, wenn meine Mom kommt und noch Leute mitbringt. Und die Kälte … Man müsste mal drüber reden.«
    »Hör mal«, sagt er und nimmt meine Hand. »Essen lässt sich auftreiben. Was wir hier haben – das ist wie ein Zuhause, unser eigenes Heim. Wenn wir zur Universität gehen, wer weiß, was wir da vorfinden. Es scheint sich jetzt gut anzuhören, aber es wird vielleicht schwer, wieder wegzukommen, wenn wir erst einmal da sind.«
    »Ich weiß«, sage ich. »Aber ich bin nicht gut in Geheimniskrämerei.

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