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Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition)

Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition)

Titel: Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine Roux
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gegangen ist, dass sie nie mehr kommt und zu mir stößt. Dafür bin ich noch nicht bereit. Ich kenne meine Mom, sie ist eine Kämpferin. Wenn ich der Preis am Ende des Regenbogens bin, wird sie nicht aufgeben. Sie würde auch nicht wollen, dass ich über die Wahrscheinlichkeit des Todes grüble, wenn so wenig Leben übrig ist, das man in die Arme schließen kann.
    Und ich bin wirklich nicht morbide – ich habe einfach nur eine gesunde Einstellung zum Tod. Schon als Kind habe ich nicht eingesehen, was die große Sache daran sein soll. Ich war früh mit dem Tod konfrontiert. Mein Dad und mein älterer Bruder starben bei einem Autounfall, als ich dreieinhalb war. Damals lernte ich, dass die Phrase ›Sie haben nicht gelitten‹ durchaus etwas bedeutet, die Phrase ›Sie sind jetzt an einem besseren Ort‹ hingegen nicht. Ich habe nicht einen Moment, auch nicht als ich ganz klein war, geglaubt, dass es dort, wo auch immer sie hingegangen waren, besser wäre, als am Leben und bei uns zu sein. Es schien mir beleidigend, so etwas überhaupt zu sagen. Empörend, dass Fremde, auch wohlmeinende, lächeln und mir den Kopf tätscheln konnten, während sie behaupteten, mein Vater und mein Bruder wären lieber ›im Himmel‹ als bei Mom und mir.
    Und so lernte ich eine wichtige Lektion: Es gibt etwas, und dann gibt es das einfach nicht mehr. Ich stimmte nicht mit der populären Meinung überein, dass der Tod etwas sei, das einen aus der Fassung bringen müsse.
    Aber ich habe diese Haltung gegenüber dem Tod revidiert. Ich denke nicht mehr, dass er in Ordnung geht und es Blödsinn ist, sich darüber aufzuregen. Denn wir haben einen der Unseren verloren, einen mit Sicherheit und vielleicht mehr.
    Holly und ich haben an diesem Tag vergnügt und früh mit Phils Geburtstagskuchen begonnen. Da wir nicht wussten, wie viele Versuche wir brauchen würden, beschlossen wir, am besten den ganzen Morgen und notfalls auch noch den Nachmittag einzuplanen. Versucht nie, auf einem Hibachi einen Kuchen zu backen. Lasst es einfach. Wie auch immer, wir haben es vollbracht. Der größte Teil davon war einfach, wirklich, weil Ms Weathers wohl eine tüchtige Bäckerin war. Mehl, Zucker, Salz, Backpulver, pflanzliches Öl – alles leicht zu finden. Eier und Milch fehlten zunächst, aber sie erschienen im Laufe des Vormittags auf magische Weise.
    Zack kommt atemlos in die Küche, in den Armen H-Milch-Packungen und einen aufgerissenen Karton Eier.
    »Wo zur Hölle hast du die gefunden?«, frage ich, während ich ihm zusehe, wie er vorsichtig Milch und Eier auf dem Küchentresen absetzt. Er reibt sich den Hinterkopf mit dem Ärmel. Trotz der klirrenden Kälte, die überall herrscht – draußen, drinnen, in unseren Knochen – schwitzt er. Seine grünen Augen blitzen verschmitzt, als er vage Richtung Fenster nickt.
    »Von draußen.«
    »Du willst mir sagen, du warst draußen, um diesen Scheiß für einen Geburtstagskuchen zu besorgen? Bist du noch ganz dicht?«
    »Ihr braucht das Zeug, oder etwa nicht? Man kann ohne Eier und Milch keinen Kuchen backen.«
    »Stimmt schon, aber – Himmel noch mal.«
    »Komm schon«, sagt er und legt mir die Hand auf die Schulter, »nun sei nicht so. Mir geht’s gut, siehst du?« Er dreht sich und vollführt eine neckische kleine Pirouette, der Afghane, der um seine Schultern hängt, schwingt herum wie ein Umhang. Mit ungläubig aufgerissenen Augen starrt Holly Zack an, und ich kann es ihr nachfühlen. Sich ganz allein da rauszuwagen, mitten unter die Untoten. Aber wenn Zack dorthin gehen und heil wieder zurückkommen kann, dann kann meine Mom das vielleicht auch.
    »Bist du sicher, dass du okay bist? Du hast wirklich keinen Kratzer abgekriegt? Bist nicht gebissen worden?«
    »Mir geht’s gut«, wiederholt er, und sein Lächeln schwindet. »Ein simples Danke wäre nett.«
    »Danke«, platzt es aus mir raus, wobei ich über seinen Stunt immer noch den Kopf schüttle, »aber tu das nicht wieder.«
    Er beugt sich vor und küsst meine Wange. Sein Bart kratzt, und mir wird überall kalt. Instinktiv rückt Holly näher. Ich bemerke es erst gar nicht, bis sie mir praktisch in den Nacken atmet. Dann verschwindet Zack im Flur, und wir stehen da, ringen nach Luft, nach Worten. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie er zwischen den umgekippten Autowracks, den umgestürzten Laternenmasten, den zertrümmerten Postkästen herumhuscht – es scheint so absurd, unmöglich, und alles für einen Kuchen.
    Ich glaube, in diesem Moment

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