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Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition)

Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition)

Titel: Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine Roux
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Hoffentlich ist es nicht so. Ich vermisse seine Gesellschaft.
    Zu den glücklicheren Neuigkeiten gehört, wie begeistert Dapper darüber ist, dass Evan und Mikey in sein Leben getreten sind. Die zwei Jungs lieben den Köter, und sicherlich beruht das auf Gegenseitigkeit. Und doch, bei allem, was bis jetzt passiert ist, all diesen neuen Impulsen, mache ich mir ein wenig Sorgen um Corie. Zwar ist sie nicht so zerbrechlich, eher das Gegenteil, aber ich weiß, ihr fällt die Anpassung schwer. Die Gemahlinnen der Schwarzen Erde haben begonnen, sie zu umschwärmen, fragen sie listig um Rat in mütterlichen Belangen, wo deutlich kein Rat gebraucht wird. Sie versuchen, sie in ihren schrägen, kleinen Tupperwareverein zu locken, und ich befürchte, das könnte klappen. Collin glaubt, sie seien harmlos, und findet es gut, wenn sie sich beschäftigen, statt die Verluste ihr Leben beherrschen zu lassen.
    Feinsinnig, Collin. Seeeehr feinsinnig.
    Ich habe über die Natur von Eigenschaften nachgedacht, darüber, dass vielleicht alle von uns das Potenzial haben, zu sein, was Zack gewesen ist. Ich glaube, dass sich eine Art von Bösartigkeit in mir verbirgt, eine Gewalttätigkeit, von deren Existenz ich nie wusste, die ich auszuleben nie Gelegenheit hatte. Ich habe versucht, diesen Teil von mir zu unterdrücken, aber dann erinnere ich mich, wie oft er mich und auch Ted gerettet hat. Auch in Ted ist Bösartigkeit. Nach außen hin scheint er ein behüteter, gutherziger Pfadfinder zu sein, aber im Inneren … Innerlich könnte er wie ich sein. Kalt. Es schmerzt, mir vorzustellen, dass ich stehlen oder töten könnte. Oder würde ich gebissen und infiziert, auch eines dieser schrecklichen Dinger werden kann. Alle diese potenziellen Möglichkeiten sind in mir weggesperrt, aber nun beginnen sie hervorzutreten, eine nach der anderen. Ich wünschte, ich besäße den Schlüssel. Ich wünschte, ich wüsste die Kombination des Schlosses, ich würde es für immer versiegeln.
    Collin hat mich wieder gefragt, ob ich mit ihm und Finn einen Drink nehmen möchte, und diesmal habe ich zugesagt. Ich dachte, er würde mich vielleicht nicht wieder fragen, und freue mich, dass er mich nicht vollständig abgeschrieben hat.
    Es ist angenehm. Tatsächlich so angenehm, dass es fast nichts darüber zu sagen gibt. In betrunkenem Zustand ist Finn noch feuriger und blasphemischer. Ein Wirbelwind aus Flüchen, derben Geschichten und rotblondem Haar. Und Collin? Er scheint einer dieser Menschen zu sein, die gegen Alkohol resistent sind. Vielleicht wird er ein bisschen rosiger, aber er bleibt, wie immer, etwas rätselhaft – reserviert und distanziert von uns, versteckt hinter seinem ruhigen, freundlichen Gesicht. Er versteht es sehr gut, die Illusion von Offenheit zu erwecken, während er das meiste seiner Persönlichkeit versteckt. Ich glaube gar nicht, dass er etwas zu verbergen hat. Er zieht es vor, hinter einem Schleier des Geheimnisvollen zu sitzen, still und bequem und ein wenig abseits.
    Als Finn der rote Flammenkopf auf den Tisch fällt, nimmt mich Collin mit in die Übertragungskabine seines Senders. Jetzt sehe ich, wo seine Sendung herkommt. Er benutzt die Glaskabine über der Sportarena, aus der früher die Sportreporter die Spiele kommentiert haben. Von hier sieht man das Village aus der Vogelperspektive, und für eine Weile sitzen wir da und betrachten das verdunkelte Camp in seinem ruhelosen Schlaf. Ab und zu tanzt der Kegel einer Taschenlampe an einem Zeltdach, das farbige Nylon leuchtet wie ein Glühwürmchen in einem grünen Marmeladenglas.
    Ein Stapel Bücher liegt auf dem Boden neben einem gebrechlichen Drehstuhl. Ich überfliege die Titel, schon entrückt von dem simplen Umstand, sie in der Hand zu halten. Ein Buch in die Hand zu nehmen ist ein trivialer Akt, war ein trivialer Akt, doch nun umgibt ihn eine Art erregender Magie, die ich nie zuvor wahrgenommen habe. Collin erzählt mir, dass die Überlebenden die Bücher, die sie auf der Flucht bewahrten, mit denen, die sie aus der Bibliothek retten konnten, in einer Sammlung vereinigt haben.
    »Soll ich eins vorlesen?«, fragt Collin und lässt sich in dem mürben Drehstuhl nieder.
    »Jetzt? Es ist schon so spät.«
    »Haben Sie nicht auch spät in der Nacht gelauscht? Haben Sie uns nicht so gefunden?«, fragt er. Er hat natürlich recht, und ich nicke kichernd, gekitzelt von dem Gedanken daran, wie fasziniert ich von einer Stimme war, nichts als einer Stimme.
    »Was ist so lustig?«, fragt

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