Sie kommen!: Ein Blog vom Ende der Welt (German Edition)
immer noch »ein Baby«. Evan ist vier, ein Raufbold mit dem erzamerikanischen Äußeren seines Vaters, und lernt immer noch sprechen. Er reist nur auf den Schultern und thront darauf wie ein Guru auf einem Berggipfel. Auf Anhieb wickelte mich Evan um den Finger, als die ersten Worte aus seinem Mund kamen:
»Ich mag die Zombies nicht besonders. Dad sagt, sie sind böse. Hast du auch Zombies gekillt?«
Es wäre leicht, Corie und Ned zu unterschätzen. Sie ließen sich leicht als junges Yuppie-Pärchen abtun, das nach außen abgeklärt und selbstverliebt tut, während es hinter dieser Fassade Hass verbirgt. Aber die beiden scheinen wirklich cool zu sein, durch und durch cool, die Art von Leuten, von denen man denkt, eines Tages möchte ich mal so sein wie sie. Corie ist die Sorte Frau, bei der man zu Schulzeiten davon träumt, sie später bei einem Klassentreffen endlich einmal auszustechen. Dann geht man hin, selbstgefällig, gut ausgebildet und erfolgreich, nur um festzustellen, dass Corie jetzt Pilatestrainerin, noch bescheidener und süßer geworden und zudem sehr zu ihrem Vorteil gealtert ist – in ihren Dreißigern sieht sie weit hübscher aus als je als Teenager. Vielleicht möchte man sie dann hassen, doch plötzlich sieht man sie in einer wirren, zerschlagenen Welt, wo es leicht ist, in Depression zu erstarren, und sie lacht immer noch für ihre Kinder und zeigt sich als perfekte Mutter.
Ned und ich wurden nicht gleich miteinander warm, aber dann, in einem beiläufigen Gespräch mit Collin und mir, verwandelte er sich in jemanden, den ich unbedingt besser kennenlernen wollte. Er und Corie lebten in einer Vorstadt, nicht weit von der Schwarzen Erde. Als die Untoten auftauchten, zersplitterte ihre Nachbarschaft. Sie schlossen sich nicht zusammen, niemand blieb, um zu kämpfen. Ein Nachbar fand heraus, dass Feuer eine mächtige Waffe gegen die Untoten ist, aber auch die Tendenz hat, außer Kontrolle zu geraten. Binnen einer Stunde war die ganze Straße in Flammen aufgegangen.
»Ich habe nicht gesagt, wir bleiben, das ist unser Haus und wir bleiben, egal was kommt – vergiss es, ich wusste, wir müssen weg. Da würde nichts übrig bleiben. Das wusste ich. Ich konnte spüren, wie das Haus um uns zusammenbrach, und Evan schrie nur noch. Sie kamen über den Hof, die Auffahrt hoch. Wir mussten da raus. Ich wusste nicht, wo wir hingehen würden. Es war egal.«
(Nicht so aufregend, ich weiß, aber beim nächsten Satz war ich drauf und dran, ihn zum Präsidenten des Village zu nominieren.)
»Und dann hab ich den PT Cruiser angezündet und ihn einfach die Einfahrt runtergeschoben.«
Collin und ich wechselten einen Blick, wir verstanden beide augenblicklich, dass Ned außerordentlich gut hierherpasste. Kurz darauf entdeckten er und Collin, dass sie beide Exmilitärs sind. Ned war in seinen Zwanzigern Ingenieur bei der US Army. Das reichte, um sie zu lang verlorenen Brüdern zu machen, und bald klopften sie sich auf die Schultern wie echte alte Kameraden. Das ist wieder wie Neuling auf der Schule sein, denn schon die grundlegendste, zarteste Verbindung hilft, sich mit Fremden anzufreunden. Man ist einsam und unsicher und ängstlich, sodass jedes gemeinsame Interesse Grundlage genug für eine lebenslange Freundschaft bildet – »Du magst Erbsen? Hör auf! Ich mag Erbsen. Willst du dich besaufen?«
Das sind Ned und Collin, zwei getarnte Erbsen in einer Herde. Vielleicht werden sie die neuen Hollianted – Nollin? Cod? Du liebe Güte. Egal.
Mir schwant, das Ganze bedeutet, dass ich Collin künftig wesentlich seltener sehe und Corie und die Kinder dafür umso häufiger. Nachdem ich Evans lebhafter, leicht gestammelter Erzählung von ihrer Reise zum Stadion gelauscht habe, stoße ich zu Collin und Ned, die Schießübungen machen. Ned hat seit Jahren kein Gewehr mehr abgefeuert, aber die Art, wie er damit hantiert, weist ihn als geborenen Schützen aus. Er schießt sofort eine Coladose von einem weit entfernten Zaun und trifft einen in die Luft geworfenen Baseball. Er lässt mich wie eine blinde, alte Eichhörnchenjägerin aussehen, die nur wild um sich ballert. Es ist schwer, nicht beeindruckt zu sein. Schwer, von diesem Wirbelsturm jovialer Freundlichkeit nicht mitgerissen zu werden, er ist eben durch und durch cool.
Traurigerweise habe ich Ted heute kaum gesehen. Er ist mittlerweile so beschäftigt mit den Schwestern und den Patienten im Lazarettzelt, dass ich mich schon frage, ob er mich bewusst meidet.
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