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Titel: Sie sehen dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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Stirn, überlegte kurz und schüttelte dann den Kopf. »Ach, ist ja auch egal. Einer von beiden stirbt.«
    »Abel stirbt. Kain bringt ihn um.«
    »Sind Sie wirklich ganz sicher?«

    Die Strohhaarige nickte.
    »Okay, also bleibt Kain übrig. Die Frage lautet also, mit wem sich Kain vermehrt hat. Tja, die einzige verfügbare Frau ist also Eva, und die ist auch nicht jünger geworden. Aber wie hat die Menschheit dann überlebt?«
    Schnurrbart sah sich erwartungsvoll um, als wartete er auf Applaus. Marianne rollte die Augen.
    »Sehen Sie das Problem?«
    »Vielleicht hat Eva noch ein Kind gehabt. Eine Tochter.«
    »Und dann hatte er mit seiner Schwester geschlafen?«, fragte Schnurrbart.
    »Klar. Damals hat’s doch jeder mit jedem getrieben, oder? Das ging doch schon bei Adam und Eva los. Am Anfang muss es Inzest gegeben haben.«
    »Nee«, sagte der Schnurrbärtige.
    »Nicht?«
    »Inzest wird in der Bibel ganz eindeutig verboten. Darum kommen wir jetzt zur Wissenschaft. Darauf wollte ich von Anfang an hinaus. Wissenschaft und Religion können nämlich wirklich nebeneinander bestehen. Hier kommt jetzt Darwins Evolutionstheorie ins Spiel.«
    Strohhaar wirkte wirklich interessiert. »Und wie soll das gehen?«
    »Überlegen Sie doch mal. Von wem stammen wir denn ab, wenn wir diesen Darwinisten Glauben schenken?«
    »Vom Affen.«
    »Genau. Vom Affen. Kain wird also verstoßen und wandert ganz allein über diesen prächtigen Planeten. Können Sie mir soweit folgen?«
    Schnurrbart tippte Marianne auf den Arm, um sich auch ihre Aufmerksamkeit zu sichern. Im Schneckentempo drehte sie den Kopf zu ihm um. Wenn du diesen Porno-Schnurrbart abnimmst, dachte sie, würdest du eigentlich ganz anständig aussehen.

    Marianne zuckte die Achseln. »Ich denk schon.«
    »Prima.« Er lächelte und zog eine Augenbraue hoch. »Und Kain ist doch ein Mann, oder?«
    Strohhaar wollte auch wieder beachtet werden. »Klar.«
    »Also hat er ganz normale männliche Bedürfnisse, stimmt’s?«
    »Stimmt.«
    »Er läuft da also über die Erde. Und dabei sticht ihn der Hafer. Das ist ein ganz normales Bedürfnis. Und eines Tages, als er so durch den Wald wandert …«, wieder lächelte er und streichelte seinen Schnurrbart, »… da läuft Kain eine attraktive Affendame über den Weg. Vielleicht eine Gorilladame. Oder Miss Orang Utan.«
    Marianne starrte ihn an. »Das soll doch wohl ein Witz sein.«
    »Nein. Überlegen Sie doch mal. Kain sieht da so eine Dame aus der Affenfamilie. Das sind schließlich unsere nächsten Verwandten, oder? Er schnappt sich ein Weibchen. Sie  – na ja, Sie wissen schon …« Er machte mit seinen Händen ein eindeutiges Zeichen, für den Fall, dass sie es doch nicht wusste. »Und dann wird die Affendame schwanger.«
    Strohhaar sagte: »Das ist ja widerlich.«
    Marianne wollte sich wieder ihrem Glas zuwenden, als der Mann ihr erneut auf den Arm tippte.
    »Finden Sie nicht, dass das vollkommen logisch ist? Die Affendame kriegt ein Kind, halb Mensch, halb Affe. Es ist noch ziemlich affenartig, aber dann kommt im Lauf der Zeit die Dominanz des Menschen wieder durch. Verstehen Sie? Genau wie ich gesagt habe! Damit sind Evolution und Kreationismus vereinigt.«
    Er lächelte, als wartete er auf ein Lob.
    »Ich muss da doch noch mal nachhaken«, sagte Marianne. »Gott ist also gegen Inzest, aber ein Anhänger der Sodomie?«
    Der Schnurrbärtige klopfte ihr väterlich auf die Schulter und hob dann die Hände.
    »Ich wollte nur erklären, dass diese ganzen Klugscheißer mit
ihren Doktortiteln, die glauben, dass Religion und Wissenschaft nicht zusammenpassen, einfach keine Fantasie haben. Genau das ist das Problem. Die Wissenschaftler gucken nur durch ihr Mikroskop, und die religiösen Eiferer glauben nur das, was in der Bibel steht. Und darum sehen die dann alle den Wald vor lauter Bäumen nicht.«
    »Dieser Wald«, sagte Marianne, »das ist nicht zufällig der, in dem auch die hübsche Gorilladame lebt?«
    Die Stimmung veränderte sich mit einem Schlag. Aber vielleicht bildete Marianne sich das auch nur ein. Schnurrbart schwieg. Er starrte sie lange an. Das gefiel Marianne nicht. Irgendetwas war zwischen sie getreten. Etwas Eigenartiges. Seine Augen waren schwarz wie dunkles Glas, sie sahen aus, als hätte man sie einfach irgendwo in irgendwelche Augenhöhlen gedrückt, so vollkommen leblos und leer wirkten sie. Er blinzelte kurz und rückte näher an sie heran.
    Er musterte sie.
    »Hey, Süße. Haben Sie etwa geweint?«
    Marianne

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