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Sie und Allan

Sie und Allan

Titel: Sie und Allan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
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verletzt hast. Weißt du nicht, Allan, daß es grausam ist, einem Menschen etwas Schlechtes zu prophezeien, da solche Worte, vom Bogen des Schicksals abgeschossen und mit giftigen Widerhaken besetzt, in der Brust eitern und vielleicht ihre eigene Erfüllung nach sich ziehen? Und noch grausamer ist es, wenn man mit ihnen Freundlichkeit und Freundschaft erwidert.«
    Ich dachte mir: Ja, Freundschaft von der Art, die man geradeheraus nennt, und Freundlichkeit von der Art, wie sie in der samtenen Pfote einer Katze versteckt ist, begnügte mich jedoch damit, sie zu fragen, warum sie, die behauptete, so mächtig zu sein, überhaupt etwas fürchtete.
    »Weil es, wie ich dir bereits sagte, Allan, keinen Panzer gibt, der den Speer des Schicksals ablenken kann, welcher, als ich deine Worte hörte, aus welchem Grund, kann ich nicht sagen, von deiner Hand geschleudert zu werden schien. Denk doch an Rezu, der sich für unbesiegbar hielt und doch von dem schwarzen Krieger der Axt erschlagen wurde, und dessen Knochen heute nacht den Hunger der Schakale stillen. Außerdem liegt ein Fluch auf mir, die ich einer Göttin ihren Diener stahl, um ihn zu meinem Geliebten zu machen, und wer weiß, wann und wo er mich schließlich treffen wird? Das heißt, eigentlich ist er bereits auf mich gefallen, die ich durch all die langen Jahre unter Wilden leben und allein trauern muß, doch noch nicht alles – oh! – noch nicht alles.«
    Dann begann sie richtig zu weinen, und als ich sie anblickte, begriff ich zum ersten Mal, daß diese wunderschöne Frau, die so mächtig zu sein schien, eine der armseligsten Kreaturen war, und genauso ein Opfer der Einsamkeit und jeder Art von Unglück und Angst, wie es jede normale Sterbliche sein kann. Falls sie, wie sie behauptete – und was ich natürlich nicht glaubte –, das Geheimnis des Lebens entdeckt haben sollte, so war mir zumindest klar, daß sie das des Glücks verloren hatte.
    Sie schluchzte leise und weinte eine Weile, und während sie das tat, kehrte die Schönheit, die sie für einen kurzen Moment verloren hatte, auf sie zurück wie Licht auf einen Himmel, wenn graue, dunkle Wolken weiterziehen. Wie wunderschön sie war, mit ihren wirren Locken um ihr tränenfeuchtes Gesicht, wie unvorstellbar schön! Mein Herz zerschmolz, als ich sie anblickte; ich konnte an nichts anderes denken, als an ihre unvergleichliche Schönheit.
    »Ich flehe Euch an, weint nicht«, sagte ich. »Es schmerzt mich, und es tut mir schrecklich leid, wenn ich irgend etwas gesagt haben sollte, das Euch weh getan hat.«
    Doch sie schüttelte nur ihr wunderschönes Haar vor ihr Gesicht und weinte hinter seinem Schleier weiter.
    »Wißt ihr, Ayesha«, fuhr ich fort, »Ihr habt viele harte Worte zu mir gesagt, mich zum Ziel Eures scharfen Spottes gemacht, und deshalb ist es nicht verwunderlich, daß ich Euch mit gleicher Münze zurückgezahlt habe.«
    »Und hattest du sie nicht verdient, Allan?« murmelte sie mit leiser, gebrochener Stimme hinter dem Schleier duftender Locken hervor.
    »Warum?« fragte ich.
    »Weil du mich von Anfang an beleidigt hast, mir mit jedem Wort und mit jeder Geste zu verstehen gabst, daß du mich für eine notorische Lügnerin hieltest, für jemanden, dessen Geist und Körper es nicht wert sind, beachtet zu werden, die nicht einen freundlichen Blick verdienen, oder solche freundlichen Worte, wie sie mir von anderen zuteil geworden sind. Oh! Du hast mich zutiefst getroffen, und vielleicht habe ich mich deshalb – ich weiß es nicht – mit den armseligen Waffen verteidigt, die einer Frau zur Verfügung stehen, obwohl ich dir von Anfang an sehr zugetan war.«
    Und wieder begann sie zu schluchzen, wiegte ihren Körper in Trauer hin und her.
    Das war zu viel für mich. Da ich nicht wußte, was ich sonst tun konnte, um sie zu trösten, streichelte ich die elfenbeinerne Hand, die neben mir auf der Couch lag, und als das keinerlei Wirkung zeigte, küßte ich diese Hand, was sie nicht zu stören schien. Dann, plötzlich, erinnerte ich mich, und ließ sie fallen.
    Sie schüttelte ihr Haar aus dem Gesicht, sah mich mit ihren großen Augen an und senkte dann den Blick auf ihre Hand.
    »Was hast du Allan?«
    »Oh! Nichts«, antwortete ich. »Ich erinnerte mich nur an die Geschichte von diesem Kallikrates, die Ihr mir erzählt habt.«
    Sie runzelte die Stirn.
    »Und was ist mit Kallikrates, Allan? Ist es nicht genug, daß ich um meiner Sünden willen an ihn gefesselt bin, wenn er bei mir ist? Muß ich die Fesseln

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