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Sie und Allan

Sie und Allan

Titel: Sie und Allan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
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töricht sind und sie nie verstehen können. Für sie ist sie nach Jahrmillionen noch immer das Unbekannte, und für uns alle ist das Unbekannte auch das Furchterregende. Erinnert Ihr Euch an das römische Sprichwort, das es so klar und deutlich sagt?«
    Ich nickte, denn dies war einer der wenigen lateinischen Aussprüche, die mein Vater mich gelehrt hatte.
    »Gut. Nun, er ist ein kleiner Wilder, nicht wahr? Einer der den Affen nähersteht, von denen unsere Körper abstammen? Doch das wißt Ihr sicher alles, Allan.«
    Ich nickte wieder und sagte: »Über diese Frage gibt es verschiedene Meinungen, Ayesha.«
    »Ja, der Streit hat zu meiner frühen Zeit begonnen, und wir werden später darüber diskutieren. Trotzdem sage ich, daß er dem Affen näher steht als Ihr oder ich, und er deshalb interessant ist, wie der Keim der Dinge es immer ist. Doch hat er seine Qualitäten, denke ich: List und Treue und Liebe, die ihrerseits alles in allem ist. Versteht Ihr, Allan, daß die Liebe alles in allem ist?«
    Ich sagte, daß es darauf ankäme, was sie unter Liebe verstünde, worauf sie antwortete, daß sie mir das später erklären würde, wenn wir genügend Muße für ein Gespräch haben würden.
    »Was Euer kleiner gelber Affe darunter versteht, war jedenfalls sehr dienlich für Euch, jedenfalls glaube ich das. Ihr werdet mir eines Tages darüber berichten. Doch nun zu dem Letzten, diesem Schwarzen. Hier haben wir einen richtigen Mann, glaube ich, einen Krieger der Krieger, wie es sie in der wilden Frühzeit der Welt gegeben hat. Und glaubt mir, Allan, Wilde sind oft die besseren Menschen. Außerdem sind wir alle im Grunde genommen noch Wilde, selbst Ihr und ich. Denn das, was man Kultur nennt, ist nichts weiter als ein paar dünne Lagen von Tünche, aufgetragen, um unsere wahre Farbe zu verbergen, die sehr oft Gift enthält. Seine Axt hat viel Blut getrunken, denke ich, doch immer in fairem Kampf, und ich weiß, daß sie noch sehr viel mehr Blut trinken wird. Habe ich diese Männer richtig gelesen, Allan?«
    »Nicht übel«, antwortete ich.
    »Ich dachte es mir«, sagte sie mit einem kleinen, melodischen Lachen, »obwohl ich an einem Ort wie diesem rostig und stumpf werde wie ein unbenutztes Schwert. Geht jetzt und ruht – Ihr alle! Morgen werden Ihr und ich allein miteinander sprechen. Fürchtet nicht für Eure Sicherheit; Ihr werdet von meinen Sklaven bewacht, und ich bewache meine Sklaven. Bis auf morgen also: Lebt wohl. Geht jetzt, eßt und schlaft, was wir bedauerlicherweise alle tun müssen, die wir an diese Erdenkugel gefesselt sind und an einem Leben hängen, das wir lieber verlieren sollten. Billali, führt sie zu ihren Gemächern«, schloß sie und gab durch einen leichten Wink ihrer Hand zu verstehen, daß die Audienz beendet sei.
    Bei diesem Zeichen erhob sich Hans, der offensichtlich noch immer sehr viel Angst hatte, von seinen Knien und stürzte buchstäblich durch den Vorhang. Robertson folgte ihm. Umslopogaas, stand einen Moment reglos, dann schwang er seine große Axt über die Schulter, rief Bayéte , wandte sich um und ging hinaus.
    »Was bedeutet dieses Wort, Allan?« fragte sie mich.
    Ich erklärte ihr, daß dies ein Ausdruck der Ehrfurcht sei, mit dem die Menschen des Zulu-Volkes ihren König grüßen.
    »Habe ich nicht gesagt, daß Wilde oft die besseren Menschen sind?« sagte sie befriedigt. »Der weiße Mann, Euer Begleiter, erwies mir keinen Gruß, doch der Schwarze weiß, wann er vor einer Frau königlichen Geblüts steht.«
    »In seinem Land ist auch er von königlichem Geblüt«, sagte ich.
    »Wenn dem so ist, sind wir Gleiche, Allan.«
    Dann verneigte ich mich tief und ehrfürchtig vor ihr, und sie erhob sich zum ersten Mal von der Couch und stand auf, sehr schlank und hochgewachsen, und verneigte sich ebenfalls.
    Danach suchte ich die anderen auf, die jenseits des Vorhangs auf mich warteten, mit Ausnahme von Hans, der in wilder Flucht den Korridor entlanggestürmt und an seinem anderen Ende, jenseits des Mattenvorhangs, verschwunden war. Wir folgten demselben Weg, marschierten jedoch würdig hinter Billali und zwischen dem Spalier von Ehrenwachen hindurch, die ihre Speere hoben, als wir an ihnen vorbeigingen, und entdeckten auf der anderen Seite des Vorhangs Hans, der immer noch vor Angst schlotterte.
    »Baas«, sagte er zu mir, während wir unseren Weg zwischen den Säulen des Hofes suchten, »ich habe in meinem Leben schon alle möglichen schrecklichen Dinge gesehen und ihnen standgehalten,

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