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Sie und Er Botschaften aus parallelen Universen

Sie und Er Botschaften aus parallelen Universen

Titel: Sie und Er Botschaften aus parallelen Universen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen von der Lippe
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Gemeinte und das Gesagte

    Zwischen dem, was man meint, und dem, was man sagt, ist der Unterschied oft größer als zwischen einem Buschmann und einem Börsianer. Trotzdem kann man beide als Menschen erkennen, auch wenn’s beim Börsianer schwerfällt. In extremen Fällen ist zwischen dem Gemeinten und dem Gesagten nicht mehr die leiseste Spur von Ähnlichkeit zu entdecken, weil es krasse Gegensätze geworden sind, so wie JA und NEIN.
    Warum ist das so? Da die Krone der Schöpfung weitgehend in der Lage ist, der eigenen Meinung sprachlichen Ausdruck zu verlei-hen, muss es triftige Gründe dafür geben, es nicht zu tun. Betrachtet man die Kommunikation einmal aus verkehrstechnischer Sicht, wird eine Hemmung begreiflich. Das Gesagte ist dabei eine Ampel, die grün zeigt und den Verkehr fließen lässt. Das Gemeinte dagegen ist die rote Ampel, die den Verkehr auf der Stelle stoppt. Am praktischen Beispiel wird es einleuchtend. Antwortet er auf die Frage ›Liebst Du mich noch?‹ mit Ja, geht das Leben wie gewohnt weiter. Antwortet er mit Nein, hört der Verkehr auf.
    Das Gemeinte, die ureigene Empfindung oder Überzeugung, wird also mit Rücksicht auf funktionierende menschliche Beziehungen zurückgehalten. Das ist allerdings keine angeborene Fähigkeit, denn bei kleinen Kindern sind das Gemeinte und das Gesagte noch deckungsgleich. Erst wenn ein Kind in der Lage ist, z. B. ›Onkel Max stinkt‹ zu verkünden, erfährt es, dass man so etwas 35
    nicht in dessen Beisein sagen kann, auch wenn es stimmt. Es lernt dann, dass der Inhalt des Gemeinten nicht zu krass in die Formulierung des Gesagten einfließen darf.
    Sagt es beim nächsten Mal: ›Onkel Max duftet komisch‹, hat es die erste Lektion begriffen.
    In der Pubertät erlebt der junge Mensch einen hormonell bedingten Rückfall, und spontaner Wahrheitsdrang lässt dem Gemeinten sprachlich wieder freien Lauf. Die einfache Frage der Mutter: ›Wohin gehst Du?‹ z.B. wird gerne mit: ›Oh Mann, Du nervst!‹ beantwortet, was wiederum Ärger nach sich zieht, nur ärger als in Kindertagen.
    In dieser Phase trainiert der Jugendliche Lektion 2, den selbstverantwortlichen Umgang mit Gemeintem und Gesagtem. Sie
    endet ungefähr mit der Erlangung des Führerscheins und der ersten festen Beziehung.
    Spätestens jetzt wird dem jungen Erwachsenen klar, dass all seine Kenntnisse für eine befriedigende Liebesbeziehung untauglich sind. Die Verständigung mit dem anderen Geschlecht wird erneut zu einem sprachlichen Drahtseilakt ohne Netz und doppelten Boden. Fragt die Freundin erstaunt: ›Willst Du wirklich am Samstag zum Fußball?‹ und antwortet er darauf freudig: ›Ja, klar, ich hab auch schon ne Karte‹, kann es passieren, dass sie ›lch versteh Dich nicht‹ antwortet und er ratlos überlegt, was daran großartig zu verstehen ist, und warum sie plötzlich so zickig reagiert. Hier beginnt Lektion 3, in der man lernt, dass zur souveränen Handhabung von Gemeintem und Gesagtem in Lie-36
    besbeziehungen ein spezielles Gespür dafür entwickelt werden muss, hinter dem Gesagten des Partners das Gemeinte herauszuhö-
    ren. Fragt die Freundin erstaunt: ›Willst Du wirklich am Samstag zum Fußball?‹, so sollte er das Gemeinte, in diesem Fall ›Das kann doch nicht Dein Ernst sein!‹, besser gleich mithören und seine Antwort so formulieren, dass sein Gemeintes (›Ja, klar‹) weitgehend unerkannt bleibt, wie z. B. in der Antwort: ›Eigentlich würde ich viel lieber mit Dir Zusammensein, aber der Günni hat doch schon vor Wochen die Karten be-sorgt‹, weil sie darauf nicht so sauer reagiert. Diese Lektion hat es in sich, auch deshalb, weil die Geschlechter in ihrem Mittei-lungsdrang unterschiedlich stark motiviert sind. Frauen neigen eher zu einer Formulie-rungsvirtuosität beim sprachlichen Verpak-ken des Gemeinten, von der Männern sogar schwindelig werden kann. »Liebling, die Sonne scheint so schön, lass uns doch ins Einkaufszentrum fahren, ich muss Dir unbedingt was zeigen.« Im Gegenzug sind Männer den Frauen oft zu einsilbig, um nicht zu sagen langweilig in ihrer Verschlüsselungs-praxis: »Schatz, ich glaube, es ist kein Bier mehr im Haus.«
    Drängt trotzdem das Gemeinte an die Oberfläche – was man nicht verhindern kann, denn das Unbewusste spricht ständig mit –
    und beantwortet er z. B. die Frage: »Wie findest Du meine neue Frisur?« mit: »Na ja,« droht ein sofortiger Crash. Selbst wenn er ›Na ja,‹ nur gesagt hat, um Zeit zu gewinnen, wird er

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