Sie und Er Botschaften aus parallelen Universen
nur sinnvoll einge-setzt werden. Und das Aufräumen des Kellers gehört nicht mehr dazu. Wofür hat man ihn denn!
ER Tod
Manchmal, wenn mir melancholisch ist, ge-he ich in meine Stammkneipe, trinke einen bis acht Fish – das sind drei Teile irischer Whisky und ein Teil Baileys auf Eis und heißt so, weil Fish, der Sänger von Marillion, das immer geordert hat, erzählt zumindest Uwe, der Wirt – und breche eine Diskussion mit einem der dort immer verfügba-ren Musiker oder Poeten vom Zaun, über Musik, Poesie, Sex im Alter, Alter ohne Sex oder gern auch mal den Tod. Dabei habe ich schon die unterschiedlichsten Standpunkte eingenommen, was auch die einzige Möglichkeit ist, denn der Tod steht ja nun mal fest als Ende all unserer Bemühungen, zumindest in Musikerkneipen, wo der Jen-seitsglaube eher selten anzutreffen ist, häufiger schon der Glaube an die Wiedergeburt, aber das ist ja auch nur eine Art Verlänge-rung, bevor es endgültig ins Nirvana geht.
Rudi, ein durch viele Lesungen gestählter Literat, überraschte mich unlängst mit der These, dass Sterben keinesfalls immer im Plan der Natur stehe. Einzeller, so Rudi, tei-44
len sich theoretisch unendlich oft, sind also eigentlich unsterblich. Wir, die höchstent-wickelten Lebewesen, die sich durch Paarung fortpflanzen, sterben. Also bezahlen wir fürs Ficken mit dem Leben. Lohnt sich das wirklich?, fragte Rudi.
Ich sagte: Rudi, ich gebe dir zu bedenken, dass du als Einzeller voraussichtlich nie einen Bestseller schreiben wirst, und dass Schriftsteller durchaus Spaß am Sex haben wissen wir von Henry Miller, Charles Bu-kowski, Casanova und vielen anderen, und ob ewiges Leben heutzutage wirklich wün-schenswert ist, da wollen wir doch erstmal gucken! Das Klima verändert sich, bald darf man gar nicht mehr in die Sonne, ohne sofort Hautkrebs zu kriegen wegen des Ozon-lochs, wenn man nicht vorher ersäuft, weil die Polkappen schmelzen, Urlaub am Meer geht ja gar nicht mehr wegen Seebeben, den Rest erledigen die Vogelgrippe und die Radfahrer, zumindest in den Großstädten. Dieser ganze Gesundheitswahn ist doch
Quatsch! Laufen macht die Knie kaputt, noch mehr Laufen schwächt das Immunsy-stem, der ganze Schlankheitswahn, nur Ab-zocke! Kalorienreduzierte Lebensmittel?
Lightbeer, 30% Kalorien weniger, hey, toll, aber es schmeckt 100% Scheiße. Im Gegenteil, es müsste Läden geben für Leute, die darauf pfeifen! Hey, wenn Sie Spaß haben wollen, kommen Sie zu uns, wir haben Bier mit doppelt so viel Alkohol wie normal.
Dann haben wir erstmal noch zwei Fish getrunken, den ekligen süßen Geschmack mit einem Bier runtergespült und uns dann auf 45
den epikureischen Standpunkt geeinigt, dass der Tod uns nichts angeht, denn solange wir leben, ist er nicht da, und wenn er kommt, sind wir tot. Wir vervollständigten den Gedanken des Altmeisters dann dahingehend, dass der Tod an sich nichts Schlimmes ist, wenn das Sterben einigermaßen angenehm verläuft. Der Hertha-Fan träumt natürlich vom Herzschlag auf der Tribüne, nachdem sie praktisch mit dem Schlusspfiff das 4 zu 3
schießen und damit Meister sind.
Wahrscheinlicher ist allerdings ein Herzschlag mit 85 nach der 3. Nummer im Edelbordell. Ich als Komiker träume natürlich davon, auf der Bühne umzufallen während einer umjubelten Vorstellung, aber das mit dem Edelbordell ist auch o. k. Aber es gibt ja auch saublöde Todesarten. Stellen Sie sich mal eine Luftaufnahme von einem
Kreuzfahrtschiff vor. Rundum Ozean, so weit das Auge reicht, mittendrin das Schiff und auf dem Schiff ein winzigkleiner Pool.
Und ausgerechnet darin ersäuft man.
Oder man stirbt schon auf dem Weg zu der Traumkreuzfahrt am sogenannten Touri-stenklasse-Syndrom, dem jährlich immerhin hundert Leute erliegen. Man hockt ja beim Langstreckenflug zehn, zwölf Stunden wie in einer Legebatterie. Dadurch können sich Blutgerinnsel in den mangelhaft durchblute-ten Beinvenen bilden, die abreißen, sobald man aufsteht, und die Lungenschlagader verstopfen. Zack, Urlaubsende, für immer.
Ich ging sehr beruhigt nach Hause.
Ein andermal kam ich mit zwei Jazzern auf das Thema Tod, und die waren ganz anders 46
drauf, das macht wahrscheinlich der harte Existenzkampf, Sie kennen den Witz: Was sagt ein Jazzer, der einen Job hat, zu einem Jazzer, der keinen hat? Kriegst du Mayo auf die Pommes? Egal. Wir kamen anhand der Musikgeschichte darauf, dass der Tod oft die Falschen holt oder zumindest zum fal-schen Zeitpunkt. Erwin sagte: »Nehmen wir mal John
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