Sie und Er Botschaften aus parallelen Universen
Heiratsschwindler und Hochstapler kennengelernt, aber immerhin hat dieser Typus Thomas Mann zu seinem Felix Krull inspiriert, und den möchte man doch auch nicht missen. Ich behaupte aber, man kann Männer hie und da auch beim intrinsischen Tun beobachten, das seinen Wert aus sich selbst bezieht, also weder Kohle bringen noch Frauen imponieren soll. Trotzdem er-freut es sie letztendlich. Der beinharte Fuß-
ballfan z. B. stellt die Beziehung, so er zwischen den ganzen Heim-, Auswärts- und Pokalspielen überhaupt eine ermöglichen kann, hintan. Aber er füllt mit seiner sauer verdienten Kohle die Stadien und macht damit möglich, dass Frauen samstags sagen können: Also der Ballack sieht schon toll aus.
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SIE Nörgeln
Wenn an einem trüben Januartag der dun-kelgraue Himmel plötzlich aufreißt und Sonnenstrahlen hervorbrechen, du deinen Laptop zuklappst, dir einen Mantel
schnappst und die nächstbeste Parkbank in Beschlag nimmst, um deine geschlossenen Augen in dem herrlich leuchtenden Orange baden zu lassen, das die Sonne auf deine Netzhaut zaubert, und wenn deine Gesichts-haut von einem zarten Wärmehauch daran erinnert wird, dass die lebensspendenden Kräfte bald wieder zu ihrer prachtvollsten Form auflaufen – dann kommt ein Nörgler vorbei und sagt unaufgefordert zu dir: »Nee, das kann ich ja gar nicht ab, mitten im Winter dieses grelle Licht. Das ist doch schädlich für die Gesundheit. Das sind die Augen doch jetzt gar nicht gewohnt!« Womöglich setzt er oder sie noch eine Sonnenbrille auf, um die akustisch geäußerte Unzufriedenheit auffällig sichtbar zu machen.
Lassen Sie sich dann bloß nicht auf ein Gespräch ein. Erklären Sie nicht, dass schon 20
Sekunden indirektes Sonnenlicht (bitte nie direkt in die Sonne schauen – das ist ein Sicherheitshinweis) über die Netzhaut zur Vitaminproduktion anregt und Gesundheit und Wohlbefinden fördert. Sonst müssen Sie sich anhören, was diesem Zeitgenossen noch Übles einfällt, um Ihnen Ihre aufblühende Vorfreude auf den Frühling gründlich zu vermiesen.
Vielleicht ist Nörgeln eine Vitaminmangel-17
Erscheinung. Auf jeden Fall ist Nörgeln auch eine mutierte Form des »fishing for compliments« von Mitmenschen, deren
Charakter der Volksmund, wahrscheinlich nicht ohne Grund, als ätzend umschreibt.
Diese leider etwas missratenen Menschen kippen gern das, was sie für ihr Lebenselixier halten, eine Mixtur aus Gift und Galle, über ihren Mitmenschen aus – in der irrtüm-lichen Annahme, wir anderen, etwas fröhlicher aufgelegten Wesen äßen ausschließlich Laugenbrezeln und brauchten dringend mal etwas Richtiges zu Verdauen.
Nein, sage ich, brauchen wir nicht.
Anscheinend verwechseln Nörgler ein missglücktes Experiment mit dem Sinn ihres Chemie-Baukastens und sind erst zufrieden, wenn es in ihrer Lebensatmosphäre ordentlich stinkt und qualmt. Ich kann die Ver-suchsanordnung dieser Irrtums-Chemie auch bei größtmöglichem Einsatz meines Mitge-fühls nicht nachvollziehen, geschweige denn ein ähnliches Erlebnis aus meinem Labor beisteuern. Ich gebe zu: Gegenüber Nörg-lern gleitet mein sonst aufmerksames Bewusstsein in eine atavistische Abwehrhaltung. (Sonst arbeiten meine linke und rechte Gehirnhälfte prächtig zusammen, eine Ver-einsgründung ist geplant.) An allem und jedem herumzukritteln ist nun mal keine Einstein’sche Geistesleistung. Durch die Verbreitung des eigenen Miefs in fremden Revieren steigen weder die Zuneigungskur-ven, noch gibt es herzlichen Applaus. Dass Nörgler es überhaupt schaffen, sich zu ver-mehren, ist mir ein Rätsel, und wie es zu-18
geht, wenn Nörgler unter sich sind, mag ich mir nicht ausdenken. Vielleicht verstärken sie sich noch gegenseitig und halten sich für die rechtmäßigen Bewohner von Mittelerde.
Für mich sind sie menschliche Verkörpe-rungen der Schwarzen Löcher, die alle fröhliche Energie ringsum verschlucken.
Was ich unseren nörgelnden Mitbewohnern des Universums rate? Nehmt das Leben
nicht so schwer, es ist ja nicht von Dauer.
Haltet einfach mal die Luft an. Traut euch, im ganz normalen Fluss des puren Lebens zu baden, ohne gleich über die Wasserquali-tät, die Stromschnellen und den Fischbe-stand zu meckern. Denn eins ist sicher: Im Wasser kann man schwimmen, und es ge-hört zum Sinn des Lebens, das auch einmal, ein einziges Mal, unbeschwert zu genießen.
Wer das nicht schafft, dem zieht der liebe Gott die Ohren lang.
ER Nörgeln
Das Wort Nörgeln an sich ist schon eine
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