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Titel: Sie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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ungeheuerlich zu sein schien wie seine Befürchtungen. Wenn Gott sehr gnädig war, würde er von dieser
nächtlichen Arbeit erfahren... wenn seine Frau und einzige Liebe wieder mit ihm vereint war, und diese Auferstehung würde fast so wundersam sein wie die des Lazarus.
    "Oh, das ist schrecklich... schrecklich!", sagte sie mit leiser, bebender Stimme. Indem sie sich am Tisch festhielt, gelang es ihr, wieder auf die Beine zu kommen. Sie stand schwankend da, kleine Haarsträhnen hingen ihr zwischen den Zipfeln ihrer Nachtmütze ins Gesicht.
    "Geht es Ihnen wieder etwas besser?", fragte er freundlicher. "Wenn nicht, dann muss ich versuchen, so gut es geht, allein zurechtzukommen."
    Sie atmete tief und schaudernd durch. Sie hörte auf zu schwanken. Sie drehte sich um und ging in Richtung der Vorratskammer. "Im Schuppen hinten sind zwei Spaten", sagte sie. "Und eine Spitzhacke, wenn ich mich nicht irre. Werfen Sie die in Ihre Kutsche. Dort in der Vorratskammer ist eine Flasche Gin. Seit Bill vor fünf Jahren gestorben ist, ist sie nicht angerührt worden - - an Lammas war das. Ich nehme einen Schluck, dann können wir gehen, Mr. Geoffrey."
    "Sie sind eine tapfere Frau, Mrs. Ramage. Beeilen Sie sich."
    "Gewiss doch, machen Sie sich meinetwegen keine Gedanken", sagte sie und ergriff die Flasche Gin mit einer Hand, die nur ganz
schwach zitterte. Auf der Flasche war kein Staub -- nicht einmal die Vorratskammer war vor dem unermüdlichen Staublappen von Mrs. Ramage sicher --, aber das Etikett, auf dem CLOUGH & POOR BOZIERS stand, war vergilbt. "Beeilen Sie sich auch."
    Sie hatte Schnäpse nie ausstehen können, und ihr Magen wollte den Gin mit seinem abscheulichen Wacholderbeerengeruch und dem öligen Geschmack sofort wieder von sich geben. Sie zwang ihn, unten zu bleiben. Heute Nacht würde sie ihn brauchen.

KAPITEL 6
    Unter Wolken, die immer noch von Osten nach Westen eilten, schwarze Formen vor einem dunklen Himmel, und einem Mond, der gerade dem Horizont entgegensank, raste die Ponykutsche in Richtung Friedhof. Jetzt fuhr Mrs. Ramage, die die Peitsche über der verwirrten Mary knallen ließ, die ihnen, wenn Pferde sprechen könnten, gesagt hätte, dass dies alles ganz falsch war -- dass sie um diese Zeit in der Nacht in ihrem warmen Stall dösen sollte. Spaten und Spitzhacke schlugen kalt gegeneinander, und Mrs. Ramage dachte, dass sie jedem, der sie gesehen hätte, einen ordentlichen Schrecken eingejagt haben würden -- sie mussten wie zwei von
Mr. Dickens’ Leichenräubern aussehen... oder vielleicht wie ein Leichenräuber in einer Kutsche, welche von einem Geist gelenkt wurde. Denn sie war ganz in Weiß gekleidet -- sie hatte sich nicht einmal Zeit genommen, ihre Kleider anzuziehen. Ihr Nachtgewand flatterte um ihre kräftigen, krampfadrigen Knöchel, die Bänder ihrer Nachtmütze wehten ungestüm hinter ihr her.
    Nun waren sie an der Kirche angelangt. Sie lenkte Mary den Weg entlang, der neben ihr dahinführte, und fing an zu zittern, als sie die geisterhaften Laute vernahm, mit denen der Wind die Zinnen umspielte. Sie hatte einen Augenblick Zeit, sich zu fragen, warum ein so heiliger Ort wie eine Kirche nach Einbruch der Dunkelheit so furchterregend aussah, aber dann wurde ihr klar, dass es nicht die Kirche war... es war ihr Vorhaben.
    Ihr erster Gedanke, als sie aus der Ohnmacht erwacht war, war gewesen, dass Mylord ihnen helfen musste -- war er nicht in allen Dingen bei ihnen gewesen, durch dick und dünn, niemals zaudernd? Einen Augenblick später schon war ihr klar geworden, wie verrückt diese Idee war. Dies war nicht eine Frage von Mylords Mut, sondern seiner geistigen Gesundheit.
    Sie hatte Mr. Geoffrey nicht gebraucht, um das zu wissen; die Erinnerung an Miss Evelyn-Hyde hatte ausgereicht.

    Ihr war bewusst geworden, dass weder Mr. Geoffrey noch Mylord in Little Dunthorpe gewesen waren, als es geschehen war. Es war vor fast einem halben Jahr gewesen, im Frühling. Misery befand sich im rosigen Sommer ihrer Schwangerschaft, die morgendlichen Anfälle von Übelkeit lagen hinter ihr, das letzte Anschwellen ihres Bauches und die damit verbundenen Unannehmlichkeiten noch vor ihr, und sie hatte die beiden Männer fröhlich zu einer Woche Moorhuhnschießen und Karten- und Fußballspielen geschickt, und der Himmel mochte wissen, welche anderen Männeralbernheiten sie sich in Oak Hall in Doncaster noch einfallen lassen mochten. Mylord war ein wenig von Zweifeln erfüllt gewesen, aber Misery hatte ihm versichert,

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