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Titel: Sie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Annie.« Das glaubte er tatsächlich.
    »Ich werde niemals wegziehen! Ich werde hierbleiben, um sie zu ärgern! Ich bleibe hier und spucke ihnen ins Gesicht!«
    »Bringen Sie zusätzlich zu den vierhundert Dollar in meiner Brieftasche noch einhundertsechs auf?«
    »Ja.« Sie fing an, erleichtert auszusehen.
    »Das ist gut«, fuhr er fort. »Dann würde ich vorschlagen, dass Sie diese verfluchte Steuermahnung heute noch bezahlen.« Und während du weg bist, werde ich zusehen, wie ich diese verdammten Spuren an der Tür verschwinden lassen kann. Und wenn das erledigt ist, werde ich schauen, ob es nicht eine Möglichkeit gibt, von hier zu verschwinden, Annie. Ich habe deine Gastfreundschaft ein wenig satt.
    Er brachte ein Lächeln zustande.
    »Ich glaube, hier im Nachttisch müssten mindestens siebzehn Cent sein«, sagte er.

10
    Annie Wilkes hatte ihre eigenen strikten Regeln; auf ihre Weise war sie seltsam korrekt. Sie hatte ihn Wasser aus einem Putzeimer trinken lassen; sie hatte ihm seine Medizin vorenthalten, bis er die furchtbarsten Schmerzen litt; sie hatte ihn das einzige Exemplar seines neuen Romans verbrennen lassen; sie hatte ihn mit Handschellen gefesselt und ihm einen nach Möbelpolitur stinkenden Lappen in den Mund gesteckt; aber sie wollte nicht das Geld aus seiner Brieftasche nehmen. Sie brachte sie ihm, die alte abgenutzte
Lord Buxton, die er seit dem College besaß, und reichte sie ihm.
    Alle Ausweispapiere waren verschwunden. Diesbezüglich hatte sie keine Skrupel gehabt. Er fragte sie nicht danach. Es schien klüger zu sein, es nicht zu tun.
    Die Ausweise waren weg, aber das Geld war noch da, die Scheine - größtenteils Fünfziger - waren frisch und starr. Mit einer Deutlichkeit, die überraschend und irgendwie geheimnisvoll war, sah er sich selbst, wie er am Tag, bevor er Schnelle Autos vollendet hatte, am Autoschalter der Bank von Boulder vorgefahren war und einen Scheck über vierhundertfünfzig Dollar eingelöst hatte (vielleicht hatten an diesem Tag sogar die Jungs in der Denkfabrik freigenommen? - er hielt es für wahrscheinlich). Der Mann, der das getan hatte, war frei und gesund gewesen und hatte sich wohlgefühlt, und er hatte nicht genug Verstand besessen, das alles zu schätzen zu wissen. Der Mann, der das getan hatte, hatte die Dame am Schalter - groß, blond, mit einem purpurnen Kleid, das ihre Kurven mit der Berührung eines Liebhabers umhüllte - vielsagend angesehen. Und sie hatte den Blick erwidert … Was würde sie, überlegte er, von diesem Mann halten, wie er jetzt aussah, vierzig Pfund leichter und um zehn Jahre gealtert, seine Beine ein Paar nutzlose und verstümmelte Schreckgebilde?
    »Paul?«
    Er sah zu ihr auf, das Geld hielt er in der Hand. Alles in allem waren es vierhundertzwanzig Dollar.
    »Ja?«
    Sie betrachtete ihn mit diesem beunruhigenden Ausdruck von Mutterliebe und Zärtlichkeit - beunruhigend wegen der völligen und totalen Schwärze, die dahinter lauerte.

    »Weinen Sie, Paul?«
    Er strich sich mit der freien Hand über die Wangen, ja, da war Feuchtigkeit zu spüren. Er lächelte und gab ihr das Geld. »Ein wenig. Ich habe darüber nachgedacht, wie gut Sie zu mir waren. Oh, ich glaube, viele Leute würden es nicht verstehen … aber ich denke, ich weiß es.«
    Ihre eigenen Augen glänzten ebenfalls, als sie sich nach vorn beugte und sanft seine Lippen berührte. Er roch etwas in ihrem Atem, etwas aus den dunklen und sauren Kammern in ihrem Inneren, etwas, was wie toter Fisch roch. Es war tausendmal schlimmer als der Geruch/Geschmack des Staublappens. Es brachte die Erinnerung an ihren sauren Atem zurück,
    (!atme gottverdammt ATME!)
    der wie ein verpesteter Wind aus der Hölle seine Kehle hinabblies. Sein Magen verkrampfte sich, aber er lächelte sie an.
    »Ich liebe Sie«, sagte sie.
    »Würden Sie mich in den Rollstuhl setzen, bevor Sie gehen? Ich möchte schreiben.«
    »Selbstverständlich.« Sie umarmte ihn. »Selbstverständlich, mein Lieber.«

11
    Ihre Zärtlichkeit ging nicht so weit, dass sie die Schlafzimmertür unverschlossen gelassen hätte, aber das war eigentlich kein Problem. Dieses Mal war er nicht halb verrückt vor Schmerzen und Entzugserscheinungen. So emsig wie ein Eichhörnchen Nüsse für den Winter sammelt, hatte er
vier ihrer Haarnadeln gesammelt und sie zusammen mit den Tabletten unter der Matratze versteckt.
    Als er sich ganz sicher war, dass sie fort war und nicht noch in der Nähe herumlungerte, um zu sehen, ob er nicht etwa

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