Sie
beinahe entschuldigend hin. Wenngleich Paul natürlich nicht wissen konnte, worum es sich handelte, ging er davon aus, dass Annie ein Adjektiv dafür hatte. Bedummdusselt vielleicht.
Sie führte ihn den Weg entlang, ohne mit Reden aufzuhören. Sie verschwanden aus seinem Sichtfeld. Er konnte ihre Schatten sehen, die wie Scherenschnitte auf dem Boden lagen, aber mehr nicht. Das hatte sie absichtlich getan, wie ihm dumpf bewusst wurde. Wenn er, Paul, sie nicht sehen konnte, dann bestand auch keine Chance, dass Mr. Rancho Grande zum Fenster des Gästezimmers hereinschauen und ihn sehen würde.
Die Schatten verweilten schätzungsweise fünf Minuten auf dem schmelzenden Schnee von Annies Einfahrt. Einmal konnte Paul sogar tatsächlich Annies Stimme hören, die zornig und ungehalten anschwoll. Für Paul waren es
lange fünf Minuten. Seine Schultern schmerzten. Er stellte fest, dass er sich nicht bewegen konnte, um die Schmerzen zu mildern. Nachdem sie seine Hände mit den Handschellen zusammengekettet hatte, hatte sie sie irgendwie am Bettgestell befestigt.
Am schlimmsten aber war der Staublappen in seinem Mund. Der Gestank der Möbelpolitur verursachte ihm Kopfschmerzen, und seine Übelkeit nahm mit jedem Augenblick zu. Er konzentrierte sich verbissen darauf, sie zu beherrschen; er hatte keine Lust, an seinem eigenen Erbrochenen zu ersticken, während Annie mit einem älteren Verwaltungsbeamten haderte, der sich einmal wöchentlich das Haar beim örtlichen Friseur legen ließ und wahrscheinlich den ganzen Winter hindurch Gummistiefel über seinen schwarzen Lederschuhen trug.
Als sie endlich wieder sichtbar wurden, stand ihm kalter Schweiß auf der Stirn. Nun hatte Annie das Papier in der Hand. Sie folgte Mr. Rancho Grande und fuchtelte hinter seinem Rücken mit dem Finger, und immerzu kamen leere Sprechblasen aus ihrem Mund. Mr. Rancho Grande drehte sich nicht zu ihr um. Sein Gesicht hatte einen kontrolliert nichtssagenden Ausdruck angenommen. Nur seine Lippen, die er so fest zusammenpresste, dass sie fast nicht zu sehen waren, verrieten etwas von seinen Gefühlen. Zorn? Vielleicht. Widerwille? Ja. Das traf wahrscheinlich eher zu.
Du hältst sie für verrückt. Du und deine Pokerkumpels - die wahrscheinlich diese ganze Möchtegern-Stadt kontrollieren -, ihr habt wahrscheinlich eine Partie darum gespielt, wer diesen Scheißauftrag übernehmen muss. Niemand bringt Verrückten gern schlechte Nachrichten. Aber, oh, Mr. Rancho Grande, wenn du wüsstest, wie verrückt
sie wirklich ist, dann würdest du ihr wahrscheinlich nicht so sorglos den Rücken zukehren!
Er stieg in den Bel Air ein. Er schlug die Tür zu. Nun stand sie neben dem Auto und fuchtelte mit dem Finger vor dem geschlossenen Fenster herum, und wieder konnte Paul ganz leise ihre Stimme hören: »… halten sich ja für so-so-so schlauuuu! «
Der Bel Air fuhr langsam rückwärts die Einfahrt hinunter. Mr. Rancho Grande vermied es demonstrativ, Annie anzusehen, die die Zähne entblößt hatte.
Noch lauter: »Sie halten sich für so ein hohes Tier!«
Plötzlich trat sie mit dem Fuß gegen Mr. Rancho Grandes Stoßstange, und zwar so fest, dass Brocken von verklumptem Schnee aus den Radkästen herabfielen. Der alte Kerl hatte über die rechte Schulter nach hinten gesehen, um das Auto die Einfahrt hinunterzulenken. Jetzt wandte er ihr den Blick zu. Sie hatte ihn aus der sorgfältigen Neutralität herausgerissen, die er die ganze Zeit über gewahrt hatte.
»Nun, ich will Ihnen etwas sagen, Sie Schmutzfink! KLEINE HUNDE MACHEN MANCHMAL PIPI AN GROSSEN TIEREN! Was halten Sie davon? Hä? «
Was immer er davon hielt, Mr. Rancho Grande gewährte Annie nicht die Befriedigung, es sie sehen zu lassen - der neutrale Ausdruck hatte sich wieder über sein Gesicht gelegt wie das Visier eines Helms. Das Auto verschwand aus Pauls Sichtbereich.
Sie stand einen Augenblick da, Hände in die Hüften gestemmt, dann stapfte sie zum Haus zurück. Er hörte, wie die Küchentür geöffnet und explosionsartig zugeschlagen wurde.
Nun ist er weg, dachte Paul. Ja, Mr. Rancho Grande ist weg, aber ich bin hier. O ja, ich bin hier.
9
Aber dieses Mal ließ sie ihre Wut nicht an ihm aus.
Sie kam in sein Zimmer, den Mantel hatte sie immer noch an, aber den Reißverschluss geöffnet. Sie ging rasch auf und ab und sah ihn nicht einmal an. Sie hatte das Blatt Papier immer noch in der Hand, und ab und zu wedelte sie damit vor ihrer Nase herum wie zur Selbstkasteiung.
»Zehn Prozent
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