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Sieben

Sieben

Titel: Sieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
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Lippen wie ein Rasiermesser. Der Ausdruck seiner Augen war inbrünstig, doch undurchdringlich. Er ließ die Hand des Mannes zu seiner Linken los und richtete sie, die Finger ausgestreckt, den Daumen abgespreizt, auf Doyle.
    »Gesellen Sie sich doch zu uns.« Es war beinahe ein Flüstern, doch seine Stimme trug weit.
    Der Blick des Mannes wanderte von Doyle zu dem Jungen, der sich umdrehte, und sich ihm gehorsam stellte. Er erhielt einen Befehl. Der Junge hob den Arm und ergriff Doyles Hand. Seine Finger fühlten sich rauh und unerfreulich an. Als Doyle sich von ihm in den Raum hineinziehen ließ, stach eine mißtönende Strömung durch seinen Nacken und soufflierte ihm den Satz
Jetzt bist du anderswo.
    Der Junge geleitete ihn zu einem Stuhl zwischen den beiden Männern. Lady Nicholsons Bruder schaute mit lässiger Verwunderung zu ihm auf, als bestehe sein Erscheinen aus zu vielen Komponenten, um sie zwingend zu verarbeiten.
    Als Doyle mit der Rechten die Hand nahm, die der Finstere ihm reichte, und sich auf dem wartenden Stuhl niederließ, ergriff der Mann zu seiner Linken seine andere Hand und drückte sie fest. Als Doyle sich der ihm genau gegenübersitzenden Lady Nicholson zuwandte, begegnete ihm der glühende Blick einer Frau, deren lebenslange freundliche und gesellschaftliche Heuchelei gerade vom wundersamen und entsetzlichen Tonikum ihrer Umgebung hinfort gerissen worden war, so daß sie sich nun zum ersten Mal unverschämt lebendig fühlte. Diese Vitalität ließ ihre außergewöhnliche Schönheit erstrahlen. Ihre wasserblauen Augen tanzten wie ein Kaleidoskop, und helles Rot erschien auf ihren blassen Wangen. Trotz seiner Verwirrung bemerkte Doyle, daß sie geschminkt war. Ihre Lippen formten den stummen Satz
Ich danke Ihnen.
Er spürte ein unwillkürliches Klopfen und Springen in seiner Brust. Adrenalin, dachte er gefesselt. Der aufdringliche Ruck einer fremden Stimme unterbrach die Verbindung.
    »Heute abend sind Fremde hier.«
    Es war eine Männerstimme, sonor, satt und glatt, wie Steinchen in einem kalten Bachbett, durchzogen von einem verführerischen, kiesigen Tremolo.
    »Alle sind willkommen.«
    Doyle wandte sich dem Medium zu. Die Augen der Frau waren offen, die Stimme kam aus ihrer Kehle. Es erschien ihm, daß sich die Physiognomie ihres teigigen Gesichts, seit er sie zuletzt wahrgenommen hatte, merklich geändert, rötlichere, knochigere und eckigere Züge angenommen hatte.
    Ihre Augen glitzerten reptilienhaft, ihr Mund entgleiste zu einem obszönen Grinsen der Wollust.
    Bemerkenswert. Doyle konnte sich anhand seiner Studien nur an zwei Gelegenheiten erinnern, bei denen ein Medium in Trance ein solches Phänomen -
physiologische Transmogrifikation
zustande gebracht hatte, aber es war ihm noch nie
in situ
begegnet.
    Der träge Blick des Mediums wanderte ohne Hast rund um den Tisch, ließ Doyle aus und kündigte ein Beben an, dessen Näherkommen er durch die Hände des Paares zu seiner Linken spürte. Das Medium fixierte den Bruder Lady Nicholsons, bis dieser sich gezwungen fühlte, den Blick wie ein beschämter Hund von ihr abzuwenden. Dann wandte sie sich seiner Schwester zu.
    »Du ... suchst meine Führung.«
    Lady Nicholsons Lippen zitterten. Doyle fragte sich gerade, ob sie fähig sein würde, eine Erwiderung zu geben, als der Finstere neben ihm das Wort ergriff.
    »Wir alle ersuchen demütig um deine Führung und möchten für dein heutiges Erscheinen unsere Dankbarkeit zum Ausdruck bringen.« Seine Worte wurden von einem Zischen begleitet, als seien seine Stimmbänder beschädigt. Sein Akzent war fremdländisch, er kam möglicherweise aus dem Mittelmeerraum. Doyle konnte ihn nicht eindeutig lokalisieren.
    Dieser Mann war also der Gehilfe des Mediums, ihr Bindeglied zur zahlenden Kundschaft und in der Regel der Kopf des Unternehmens. Er hatte die inbrünstige Überzeugung des wahren Gläubigen, der sich selbst die beste Reklame war, eindeutig kultiviert. Und hier fing der Betrug an; ein opportunistischer Vertreter beutete das aus, was Medien mit wie auch immer gearteten meßbaren Fähigkeiten und einem in der Regel kindischen Unverstand für die kaufmännischen Realitäten der Alltagswelt waren. Oder, wie es ein Mann aus Gloucester Doyle gegenüber bei der Beschreibung der sensitiven Fähigkeiten seines ansonsten zurückgebliebenen Sohnes ausgedrückt hatte: »Wenn man dir ein Fenster zu einer anderen Welt schenkt, garantiere ich dir, daß du ein paar Ziegelsteine einbüßt.«
    Dies war die

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