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Sieben

Sieben

Titel: Sieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
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abgelenkt, drehte sich, den Totschläger noch erhoben, um sie anzusehen. Doyle spürte, daß die Hände des Verletzten von hinten grob nach ihm griffen.
    »Du hältst dich für einen
Wahrheitssucher?«
höhnte das Medium.
    Sie hielt ihm ihre Handflächen entgegen; die Haut quoll und wogte in scheußlicher, subkutaner Überfülle. Als sie den Mund öffnete, schoß eine Unmenge grauen, wäßrigen Dunstes aus ihrem Schlund und ihren Händen. Der in der Luft schwebende Nebel zeichnete einen Umriß und erfüllte dann das Bild eines mannshohen Spiegelrahmens. Als die Oberfläche des Spiegels sich verfeinerte, tauchte die Reflexion des Mediums in dem gespenstischen Glas auf.
    »So schaue denn mein wahres Gesicht.«
    Aus dem Nichts hinter ihrem Spiegelabbild schwebte eine andere, trübe und verschwommene Form heran, die sich auf ihrer Reflexion niederließ und sie schließlich überlagerte. Sie floß in das Bild hinein wie im Sand versickerndes Wasser, bis nur mehr ein einziges, völlig neues Antlitz übrigblieb: schädelartig, mit roten, triefenden, von Wucherungen gesäumten Augenlöchern und grauer Haut, die an zahlreichen Stellen bis auf die Knochen zerfressen war. Dazu erblickte Doyle sich krümmende Nester schwarzen strähnigen Haars, die nicht nur an den üblichen Stellen sprossen. Im Gegensatz zu dem reglosen, lächelnden Medium sah das Geschöpf auf ihn hinab und öffnete das verzerrte Loch, das ihm als Mund diente. Die Stimme, die ertönte, war zwar mit der identisch, die er schon während der ganzen Zeit gehört hatte, doch kam sie nun geradewegs von der Ausgeburt aus dem Spiegel.
    »Du glaubst, du bewirkst
Gutes.
Nun sieh, wozu deine gute Tat geführt hat.«
    Hinter dem Gobelin traten zwei mit Kapuzen verhüllte Gestalten hervor, die sich so schnell bewegten, daß Doyle keine Zeit zum Reagieren hatte. Die erste schlug Lady Nicholsons Bruder mit einer Waffe, von der er nur einen kurzen Blick erhaschte, über den Schädel. Als er zu Boden fiel, verspritzte seine klaffende Wunde scharlachrotes Blut. Die zweite Gestalt packte Lady Nicholson, schlitzte ihr mit einer langen, dünnen Klinge genüßlich die Kehle auf und durchtrennte ihre Gefäße. Das Blut ihrer Adern pumpte wild. Der aus ihrer Kehle kommende Schrei erstarb in einem alles übertönenden Scheppern, als sie hinter dem Tisch zusammenbrach und aus Doyles Blickfeld verschwand.
    »Gott!« schrie er auf. »Nein!«
    Das wahnsinnige Gegacker des Ungeheuers erfüllte den Raum, dann explodierte der ektoplasmische Spiegel in einem lauten Knall aus Licht.
    Einer der Mörder richtete seinen Blick nun auf Doyle. Er sprang behende auf den Tisch und setzte gerade dazu an, sich auf ihn zu werfen, um ihn mit dem Kricketschläger niederzustrecken, der bereits die Stirn von Lady Nicholsons Bruder zerschmettert hatte, als Doyle etwas an seinem Ohr vorbeizischen hörte: Ein Gegenstand mit einem schwarzen Griff ragte aus der Kehle des Meuchelmörders. Der hielt auf dem Tisch inne, ließ seine Waffe fallen und griff impulsiv an sein Kinn. Der Dolch hatte seinen Hals durchbohrt, den Stoff seiner Kapuze an seine Haut genagelt und sie ihm über die Augen gezogen. Der Vermummte taumelte, dann fiel er vornüber und blieb reglos liegen.
    Sein Komplize, der Doyle festhielt, stieß ein Grunzen aus und wich zurück. Doyle war frei.
    An seinem Ohr sagte eine ihm unbekannte Stimme drängend: »Ihre Pistole, Doyle.«
    Als Doyle aufschaute, erblickte er den Finsteren, der mit erhobenem Totschläger auf ihn zukam. Er riß die Pistole aus seiner Tasche und feuerte. Der Finstere stieß einen lauten Schrei aus und sank mit zerschmetterter Kniescheibe zu Boden.
    Plötzlich bewegte sich eine Gestalt hinter Doyle, sie trat gegen den Kandelaber und beraubte das Zimmer der Hälfte seines Lichts. Doyle hatte gerade noch genügend Zeit, um zu erkennen, daß das Medium verschwunden war, dann richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf einen grauen Schatten: den heranstürmenden zweiten Meuchelmörder. Sein noch immer unsichtbarer Wohltäter warf den schweren Tisch um und stieß den Kerl zurück. Doyle wurde hochgezogen.
    »Folgen Sie mir«, instruierte ihn die Stimme.
    »Lady Nicholson ...«
    »Zu spät.«
    Doyle folgte der Stimme in die Dunkelheit hinein. Sie kamen durch eine Tür und gingen durch einen Korridor. Doyle fühlte sich desorientiert - dies war nicht der Weg, auf dem er gekommen war. Die Tür am Ende des Korridors flog aus dem Rahmen, als sein Bundesgenosse sie auftrat. Von irgendwoher

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