Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sieben

Sieben

Titel: Sieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
Vom Netzwerk:
schwieg. Schon bevor Alexander dieses Wort ausgesprochen hatte, war er nahe daran gewesen, sich zu verraten. Eine reptilienhafte Kälte ließ sein Gesicht zu einer Maske brutaler Geringschätzung erstarren.
    »Sie glauben also
wirklich,
daß Jonathan Ihre Eltern umgebracht hat«, sagte Doyle in einem kühnen Versuch, die Arglosigkeit seines Verhörs aufrechtzuerhalten.
    »Ja«, sagte Alexander glatt. Seine Oberlippe kräuselte sich in unwillkürlichem Hohn, seine Nasenlöcher blähten sich auf, seine Lider hingen schlaff herab. Er wirkte tierisch. So sieht er wirklich aus, dachte Doyle. Das ist sein wahres Gesicht.
    »Aha«, sagte Doyle. Er nickte erneut. »Das ist alles sehr interessant, Mr. Sparks. Ich werde Ihre Analyse bestimmt ernsthaft in Erwägung ziehen.«
    »Habe ich Sie überzeugt?« Alexanders Stimme war barsch und kratzig, ein bedrohlicher Unterton wurde deutlich.
    »Und ob«, sagte Doyle. Er schluckte seine Furcht hinunter. »Wenn es stimmt, was Sie sagen, und ich habe wenig Grund, daran zu zweifeln, war Ihr Bruder wahrscheinlich mehr als nur eine Gefahr für sich selbst. Ich muß Ihnen in aller Ehrlichkeit sagen, daß ich glaube, daß er mindestens eine ebenso große Gefahr für Sie darstellt.«
    Doyle lächelte selbstzufrieden, lehnte sich in den Sitz zurück und tat so, als dächte er über das Unbestimmte nach. Bitte, Gott, laß ihn annehmen, daß ich ein harmloser Pedant bin, dachte er. Er wagte nicht, Alexander wieder anzusehen, doch er spürte, daß sich die Hitze im Blick des Mannes in ihn hineinbohrte. War er zu weit gegangen? Es war noch zu früh, um es zu sagen. Obwohl er ihm eine angemessene Provokation an den Kopf geworfen hatte, war der Mann ihm nicht an die Kehle gesprungen. Die Tatsache blieb, daß er Alexander kurzfristig hereingelegt hatte. Wenn es etwas Wahrscheinlicheres gab, ihn in mörderische Rage zu versetzen, war es schwierig zu bestimmen. Und wenn seine sture Vorstellung Alexanders prüfenden Blick standgehalten hatte, hatte Doyle ihm nicht einmal die Befriedigung der Erfahrung verschafft, ob er ihn
bewußt
in die Falle gelockt hatte - was Alexanders Zorn wahrscheinlich eher nach innen gerichtet hätte, auf sich selbst. Stolz. Auch daraus hatte Luzifers Versagen bestanden. Jeder Mensch hat eine Schwäche, es gehört einfach zur menschlichen Natur. Doch auch wenn es ihm gelungen war, auf die Schwäche Alexander Sparks' zu stoßen, hatte Doyle nun keinen Zweifel mehr daran, daß er sich in der Gesellschaft eines Menschen aufhielt, der in jeder Faser so gefährlich war, wie Jack ihn beschrieben hatte. Eileen und er lebten nur noch aus einem Grund: Weil ihr Feind nicht genau wußte, was Jack ihnen berichtet hatte und wem sie es ihrerseits erzählt hatten.
    Eins stand fest: In Sachen Jack Sparks gab es zahllose Fragen, die erst noch zu beantworten waren, doch wenigstens sprach Alexanders unabsichtliches Geständnis, seine Eltern umgebracht zu haben, Jack ein für allemal von diesem widerlichen Verbrechen frei. Die quälende Musik, die er ihn hatte spielen hören, war aus dem Kummer heraus geboren und nicht aus schlechtem Gewissen. Und wenn Alexander verantwortlich war, wie Jack versichert hatte, war auch der Rest seines Berichts viel glaubhafter.
    Doyle sah aus dem Fenster. Die Straße, über die sie fuhren, verlief parallel zum baumlosen, windgepeitschten Meer über einen hohen Steilfelsen. Im Osten erhellte sich der Himmel über der fernen See. Das Morgengrauen mußte in wenigen Minuten einsetzen.
    Eileen rührte sich erneut. Sie atmete nun tiefer. Die Wirkung der Droge nahm ab. Gab es irgendeine Möglichkeit, sie aus allem herauszuhalten? Eines mußte Doyle sich eingestehen: Alles, was jetzt noch getan werden konnte, mußte er sehr wahrscheinlich allein tun. Über das Schicksal der Brüder bestand kaum ein Zweifel, und so wie es aussah, war auch Jack verschollen. Doch Klagen war ein Luxus, den er sich nicht leisten konnte. Das Gewicht der Verantwortung für das Leben in seinen Armen sorgte für ein Aufwallen von Beharrlichkeit und Entschlußkraft. Doyle warf Alexander einen Blick zu und spürte den Druck der Spritzen in seinen Stiefeln. Noch nicht, dachte er. Nicht, solange Eileen so nahe ist.
    Als die Räder auf Pflaster trafen, verlangsamte sich die Kutsche zum Schrittempo. Augenblicke später rollte sie durch einen hufeisenförmigen Bogen, der von den Granitstatuen zweier gewaltiger Raubvögel flankiert wurde.
    »Ravenscar«, sagte Alexander. Sein Gesicht hatte wieder die Maske

Weitere Kostenlose Bücher