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Sieben

Sieben

Titel: Sieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
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falls er es nicht gar übertraf. Leider lehnte der Arzt es ab, die Behandlung zeitweilig aufzuheben; er fuhr viele Monate mit den Injektionen fort. Auf diese Weise erzeugte er in Klein-Jonathan ein lebenslanges heftiges Verlangen nach dieser Droge, von der er sich bis zu diesem Tag nicht mehr hat lösen können. Dies hat ihn, besonders in Zeiten gefühlsmäßiger Verwirrtheit, zu periodischen Anfällen übermäßigen Genusses geführt - und dies wiederum zu Phasen akuten Irrsinns, was es erforderlich machte, ihn in Anstalten einzuweisen, die auf die Behandlung Geistesgestörter spezialisiert sind.«
    »Wie zum Beispiel Bedlam«, sagte Doyle.
    »Traurigerweise ja«, sagte Alexander mit einem weltmüden Kopfschütteln. »Ich habe alles versucht, um mich während seiner schrecklichen Qualen um ihn zu kümmern. Doch wie so oft, wenn man für jemanden in diesem bedauernswert reduzierten Stadium die Hand liebenden Trostes erhebt, ist die Anziehungskraft der Droge so dominant, daß jemand, der sich in ihren Klauen befindet, den Helfer als verschworenen Feind sieht, der ihn von dem trennen möchte, von dem er glaubt, es sei seine einzige Hilfe. Als Arzt sind Sie mit solchen Phänomenen gewiß vertraut.«
    Doyle hatte erst vor kurzer Zeit mit eigenen Augen gesehen, wie Sparks diesen Hunger gestillt hatte. Außerdem wußte er, welch verderbliche Wirkungen Süchte dieser Art im menschlichen Geist hervorriefen. Alexander erzählte die Geschichte mit einer solch leidenschaftslosen Offenheit, daß Doyle momentan nicht mehr wußte, wieviel er ihm glauben sollte. Doch nichts von dem, was er ausgesprochen hatte, stand unbedingt im Widerspruch zu dem, was Jack über Alexander berichtet hatte - und bisher hatte Doyle ihn noch mit keiner der Beschuldigungen Jacks konfrontiert. Es war ihm, wenn auch nur im Augenblick, mehr oder weniger unmöglich, die von Alexander angebotene Alternative nicht als plausibles Szenarium zu erwägen. Doch andererseits - falls Alexander nur über einen Bruchteil der Macht verfügte, die Jack ihm zuschrieb - mußte diese Art routinierter Heuchelei für ihn eine solche Kleinigkeit sein wie eine Multiplikationstabelle für ein mathematisches Wunderkind. Wenn er lügt, dachte Doyle, dann aus welchem Grund?
    »Warum wurde Ihr Bruder in Bedlam eingewiesen?« fragte er so ruhig wie möglich.
    »Angriff auf einen Polizeibeamten. Er hat versucht, sich gewaltsam Zutritt zum Buckingham Palace zu verschaffen. Eine von Johns beharrlichsten Wahnvorstellungen besteht in dem Glauben, er habe irgendeine Verbindung zu Königin Victoria.«
    »Was soll das für eine Verbindung sein?«
    »Er behauptet nicht selten, unter dem direkten und geheimen Befehl Ihrer Majestät zu arbeiten, daß er in diversen Verschwörungen ermittelt, die den Fortbestand der Dynastie bedrohen. In aller Regel soll ich dafür verantwortlich sein. Folglich stellt er mir überall nach und versucht, sich in meine Geschäfte einzumischen. Es geht schon seit Jahren so. Meist geht die Sache harmlos aus. Doch in diesem Fall ist es bedauerlicherweise nicht so.«
    »Warum sollte er all diese Dinge tun?«
    »Wie Sie wissen, kann man sich bei Fällen von geistiger Verwirrung nie sicher sein. Einer meiner Bekannten, ein Wiener Nervenarzt, den ich in der Angelegenheit konsultiert hatte, ist der Meinung, Jonathan werde von dem Zwang getrieben, den verheerenden Verlust unserer Eltern ständig neu zu erleben - wobei die Königin eine Art Mutterersatz ist -, und daß er sie, indem er ihr Leben vor einer eingebildeten Gefahr ›rettet‹, irgendwie wiedererwecken kann.«
    »Ach so.«
    »Was hat er Ihnen hinsichtlich dieser Sache erzählt, Doktor?« fragte Alexander offen heraus.
    Er will herauskriegen, was ich weiß, wurde Doyle klar. Nur deswegen zieht er diesen Firlefanz ab. Er will wissen, wieviel Schaden schon angerichtet ist.
    »Jonathan stand Ihrer Mutter sehr nahe, nicht wahr?« fragte Doyle.
    »Er hat sehr innig an ihr gehangen, ja«, sagte Alexander. Doyle vermied es sorgfältig, etwas mit den Augen zu verraten. »Und waren Sie ihr ebenso nahe?«
    Alexander lächelte und zeigte die milchweißen Reihen seiner makellosen Zähne. »Jeder Junge steht seiner Mutter nahe.«
    Als sie eine lange, zunehmend steilere Steigung hinauffuhren, verlangsamte die Kutsche. Eileen bewegte sich leicht in Doyles Armen.
    »Und Ihr Vater, Mr. Sparks?«
    »Was ist mit ihm?« Alexander lächelte noch immer.
    »Wie sah Ihre Beziehung zu ihm aus?«
    »Ich glaube, es sind Johns Beziehungen,

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