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Sieben

Sieben

Titel: Sieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
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zuversichtlich oder arrogant dieser Mann doch war.
Er verfolgt mich gnadenlos mehrere Tage lang, und wenn ich vor ihm stehe, läßt er mich einfach gehen.
Doyle wußte sehr gut, daß die Sensibilität, die der Mann bekundete, nur eine geschickte und trügerische Simulation war. Doch was war sein Ziel?
    Er schob den Schlüssel leise ins Schloß und öffnete die Tür. Die Vorhänge und Fenster waren geschlossen, wie zuvor. Man schien nichts angerührt zu haben. Doch Eileen war nicht mehr da.
    Das war es also. Er hat mich so lange aufgehalten, damit seine Leute sie holen konnten.
Doyle ging zu seinem Mantel. Die Pistole war nicht in der Tasche, in der er sie zurückgelassen hatte, aber auch in keiner anderen. Seine Tasche stand noch auf dem Boden. Er öffnete sie, kramte in den Arzneivorräten und suchte nach einer Handvoll Phiolen und zwei Spritzen. Er setzte die Nadeln in die Spritzen ein, füllte sie, riß neben der inneren Brusttasche des Mantels ein kleines Loch ins Futter und deponierte dort die restlichen Phiolen. Dann schob er je eine Spritze seitlich in seine Stiefel hinein.
    In dem Bewußtsein, durch sein langes Ausbleiben Argwohn erweckt zu haben, hastete er die Treppe hinunter. Alexander erwartete ihn in der offenen Haustür. Er war so gefaßt und reglos wie zuvor.
    »Wo ist sie?« fragte Doyle.
    Alexander deutete mit dem Kopf nach draußen.
    »Wenn Sie ihr etwas getan haben ...«
    »Bitte, keine Drohungen.« Alexander klang erheitert; auf seinen feuchten Lippen zeigte sich beinahe so etwas wie ein Lächeln. »Sie ist völlig sicher.«
    »Ich will sie sehen.«
    »Warum nicht?«
    Alexander hob eine lange, hagere Hand und deutete zur Tür hinaus. Eine große schwarze Kutsche mit vier Pferden stand in der Einfahrt. Wenn es nicht das gleiche bedrohliche Fahrzeug war wie zuvor, war es ein ihm äußerst ähnlich sehendes Faksimile. Die Pferde schnaubten rauh und scharrten mit den Hufen. Doyle näherte sich dem unheimlichen Gefährt. Der auf dem Bock hockende Kutscher drehte sich nicht zu ihm um. Vorhänge verdeckten die Fenster. »Sie ist drin.«
    Doyle zuckte zusammen. Alexander stand genau hinter ihm. Er hatte den Mann die Herberge weder verlassen sehen noch ihn gehört. Doyle öffnete die Tür und stieg ein. Schwaches Licht kam von den Laternen, die auf das Chassis montiert waren. Eileen lag an der Wand auf dem Rücksitz. Sie war bewußtlos und trug den geliehenen Hut und ihre Kleider. Doyle überprüfte ihren Puls und ihren Atem. Beides war gleichmäßig, wenn auch schwach. Als er sich über sie beugte, bemerkte er den Geruch einer betäubenden Chemikalie: wahrscheinlich Äther oder irgendeine noch stärkere Verbindung.
    Die Kutschentür schloß sich. Doyle drehte sich um. Alexander saß ihnen gegenüber. Mit einem lauten Krack fuhren die Klinken hinab und verschlossen mechanisch die Tür. Die Kutsche fuhr an. Doyle hielt Eileen in den Armen. Alexander lächelte leidenschaftslos.
    »Falls das Kompliment Sie nicht beleidigt, Doktor«, sagte er freundlich: »Sie geben ein ausnehmend attraktives Paar ab.« So abscheulich die Vorstellung auch war, daß der Mann von ihrer vor kurzem erfolgten Intimität wußte Doyle hielt seine Zunge im Zaum. Er bettete Eileen näher an sich und spürte die sanfte Wärme ihres Nackens an seiner Hand. »Wohin fahren wir?«
    Alexander antwortete nicht. »Ravenscar?«
    Alexander zeigte den Anflug eines Lächelns. Sein Gesicht wirkte in dem dämmerigen Licht skeletthaft, bar jeglicher Spuren einer Persönlichkeit und auf den nackten Kern reduziert.
    »Es gibt etwas, das Sie über meinen Bruder erfahren müssen, Doktor: Als Jonathan noch ein ziemlich kleiner Junge war, sind unsere Eltern tragischerweise bei einem Brand ums Leben gekommen. Da er ein so frühreifes und glückliches Kind war, wie man es sich nur vorstellen kann, hat er schrecklich gelitten. Ich hatte das Alter der Volljährigkeit bereits erreicht, doch Jonathan wurde unter die Aufsicht eines Vormundes gestellt und bedauerlicherweise der Obhut eines Freundes unserer Familie anvertraut: einem Arzt, der zwar radikal fortschrittlichen Ideen, doch willkürlichen Methoden folgte. Nach Monaten ohne erkennbare Besserung unterzog der Arzt Jonathans hysterische Veranlagung einer Behandlung mittels einer Reihe von Drogeninjektionen. Die Behandlung war anfangs erfolgreich und unterdrückte seine Krankheit. Es dauerte nicht lange, bis sein Geist wieder auf das Niveau anzusteigen schien, dessen er sich vor seiner Krise erfreut hatte -

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