Sieben
näherkam, erkannten sie, daß sein Gesicht und seine Kleider voller Blut waren, das im Mondschein schwarz wirkte. Doyle erschrak zutiefst; er hatte noch nie einen solchen Ausdruck in einem menschlichen Gesicht gesehen: Mitleid, Erschütterung, Wut. Sparks wirkte wie ein Gott, der gerade eine Welt seiner eigenen Schöpfung vernichtet hatte, weil sie wahnsinnig geworden und außer Kontrolle geraten war. Hinter ihm schoß eine Flammensäule in den Himmel. Sparks hatte den Ort des Grauens in Brand gesteckt.
Er kam rasch zu ihnen, nahm Barry sanft auf und trug ihn zu den Bahngleisen hinunter. Eileen schluchzte leise auf, und Doyle legte einen Arm um sie. Sie folgten den beiden.
Als sie sich dem Gleis näherten, bot sich ihnen ein kurioser Anblick: Eine Lok mit zwei Waggons rollte langsam aus Richtung Westen auf sie zu.
»Es ist unser Zug«, rief Doyle. »Es ist unser Zug.«
Sie beeilten sich, mit Jack Schritt zu halten, der den Bahndamm hinaufhastete, sahen Larry in der Ferne von der Lok springen und Sparks entgegenlaufen, der seine Last sanft zu Boden sinken ließ. Larry fiel auf die Knie. Der schmerzvolle, langgezogene Schrei, den er ausstieß, als er seinen gepeinigten Bruder sah, durchdrang die Stille der Nacht wie eine Lanze.
Doyle und Eileen eilten den Hang hinauf. Larry kauerte auf der losen Schlacke, hielt Barry in den Armen, strich ihm eine störrische Locke aus der Stirn.
»O Gott, o Gott, nein, Barry, oh, mein Junge, was haben sie nur mit dir gemacht ... Was haben sie nur mit dir gemacht ... O Jack, schaun Sie, was sie mit ihm gemacht haben ... Mein armer Junge, mein armer Junge.«
Sparks stand mit gesenktem Blick neben den beiden, das Gesicht im Dunkel verborgen. Eileen wandte sich ab, um sich an Doyles Schulter auszuweinen.
Larry rührte sich, ein Strahl des Mondlichts fiel auf Barrys Gesicht. Doyle sah, daß Barry seinem Bruder in die Augen schaute und sein Blick dort verharrte. Es war, als erhielte nur diese Verbindung Barry noch am Leben.
Barrys Lippen bewegten sich, formten einen Laut und dann einen zweiten.
»M-m-mach ... E-e-ende ...«
Dann tauchte er wieder zurück in die Leere, die von ihm Besitz ergriffen hatte.
Larry, aus dessen Augen Tränen strömten, schaute zu Jack auf, der eine verhaltene. Handbewegung machte. Larry schüttelte langsam den Kopf. Sparks nickte, schaute Doyle an und ging beiseite. Doyle legte beide Arme um Eileen und führte sie vom Gleis fort.
Er warf einen Blick über seine Schulter. Larry beugte sich vor, um Barrys Wange zu küssen, flüsterte ihm etwas ins Ohr und legte dann behutsam seine Hände um den Hals seines Bruders. Doyle wandte sich ab. Eileen zitterte heftig in seinen Armen.
Eine kurze Zeit verging. Doyle und Eileen sahen sich an, doch die Intimität ihrer beiderseitigen Qual erschien ihnen unerträglich. Sie schaute weg. Doyle spürte, daß sie sich aus der Not heraus in das sichere Gebiet ihres Inneren zurückgezogen hatte. Er fragte sich plötzlich, ob sie die daraus entstandene Kluft zwischen ihnen je wieder überbrücken konnten.
Larry schloß Barrys Augen und wiegte den Körper seines Bruders langsam hin und her, als schaukelte er ein Kind in den Schlaf. Sparks stand unweit der beiden auf einer Anhöhe und blickte nach Ravenscar zurück. Tanzende Lichter -Laternen bewegten sich in großer Zahl an den Gleisen entlang auf sie zu. Doyle brachte Eileen an Bord des Zuges. Sie brach auf einem Sitz zusammen. Durch die Fenster sah Doyle, daß Sparks sich zu Larry hinunterbeugte und auf ihn einredete. Dann nickte Larry langsam, hob den Leichnam seines Bruders auf und trug ihn außerhalb seiner Sichtweite zur Lok.
Doyle hörte Schüsse, ging zum Heck des Waggons und trat auf die Plattform hinaus. Die Laternen waren nur noch eine Viertelmeile entfernt. Kugeln pfiffen durch die Luft und prallten vom Stahl ab. Doyle brachte sein Gewehr auf den Geländer in Position und feuerte auf die Lichter, bis das Magazin leer war. Die Räder der Lok setzten sich ächzend in Bewegung, der Zug nahm Geschwindigkeit auf und vergrößerte rasch der Abstand zwischen ihnen und ihren Verfolgern. Die Laternen schrumpften zu leuchtenden Stecknadelköpfen, um kurz darauf gänzlich in der Dunkelheit zu verschwinden.
Victoria Regina
DEN BRANDY, DEN Doyle ihr anbot, lehnte Eileen ab. Sie legte sich erschöpft in die Koje am Heck, drehte das Gesicht zur Wand und verharrte dort schweigend und reglos. Ob sie schlief, war schwer zu sagen.
Doyle schenkte sich ein Glas ein und leerte
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