Sieben
eine dunkle, verwüstete Kathedrale.
»Von irgendwo kommt ʹne steife Brise her«, sagte Barry und schnupperte die Luft.
»Dann ist es einfach. Wir folgen ihr bis zum Ausgang.«
Sie durchquerten die Grotte und ließen die Treppenstufen hinter sich. Jeder Schritt wirbelte kleine schwarze Staubwolken auf. Über ihnen, im Luftzug, wurde das Flattern kleiner Schwingen laut, die akrobatisch durch die künstliche Nacht fegten.
»Fledermäuse«, sagte Sparks, was Doyle spontan nach seinem Hut greifen ließ. »Kein Grund zur Beunruhigung, Doyle; die sehen hier unten weitaus besser als wir ...«
Sparks prallte mit einem lauten Scheppern gegen ein festes Hindernis und ließ die Laterne fallen. Sogleich fanden sie sich von leerer Schwärze umgeben.
»Teufel!«
»Meinen Sie, bei dem sind wir jetzt?«
Trotz der Umstände begann Doyle allmählich, an Barrys spröder Schalkhaftigkeit Gefallen zu finden.
»Sei bitte still, ja? Hilf mir, die Laterne zu suchen.«
Doyle streckte den Arm aus und berührte den Gegenstand, mit dem Sparks kollidiert war. Er fühlte sich abgerundet, kalt und glatt an, wies maschinell hergestellte Kanten auf und war fest. Doyle wußte, was es war, doch da er nichts sehen konnte, wollte ihm der Name dafür einfach nicht einfallen.
»Ich glaub, Sie haben sie kaputtgemacht.«
»Meinst du wirklich?«
»Nach allem, was ich seh und fühl, sind nur noch ʹn paar Bruchstücke übrig. Soll ich die Kerze anmachen, die ich in der Tasche hab?«
»Au ja, Barry! Das wäre wirklich nicht zu verachten!«
Und in der Sekunde, in der Barry das Streichholz anzündete, begriff Doyle, über was sie gestolpert waren.
»Gütiger Gott! Wissen Sie, was das ist, Jack?«
Und schon wieder war es dunkel.
»Was ist denn jetzt wieder los, Barry?«
»Hab die Kerze fallen gelassen. Der Doktor hat mich ziemlich erschreckt...«
»Jack, wissen Sie, was wir gefunden haben?«
»Wenn Barry die Kerze finden würde, wüßte ich es ...«
»Hab sie schon«, ließ sich Barry vernehmen und zündete ein neues Streichholz an.
»Das ist eine Eisenbahn!«
Und es war eine Eisenbahn. Eine pechschwarze, aus solidem Metall geschmiedete, ausgewachsene Dampflok mit einem angehängten, voll beladenen Kohlentender. Sie standen auf stählernen Schienen, die sich vor ihnen in die Dunkelheit hineinkrümmten.
»'ne Sterling Single«, staunte Barry, »'ne wahre Schönheit.«
Sie kletterten in die Lok und untersuchten im Licht von Barrys Kerze die Mechanik. Die Meßgeräte und Pumpen schienen intakt und einsatzbereit zu sein. Der Wassertank war voll. Im Heizkessel lag eine Kohlenladung bereit.
»Sieht so aus, als hätte jemand eine eilige Abreise geplant«, bemerkte Doyle.
»Erinnern Sie sich an Nicholsons zusammenhanglose Anspielung auf die Eisenbahn?« sagte Sparks, als Barry die Öllampe anzündete, die an der Lokwand hing. »Ich wage zu behaupten, daß wir dem unfeinen Gesundheitszustand Lord Nicholsons für dieses Glück danken müssen.«
»Warum hat er sie nicht selbst benutzt?« fragte Doyle.
»Es besteht die Möglichkeit, daß er ihre Existenz vergessen hat. Verstehen Sie etwas vom Steuern eines Zuges, Doyle?«
Bevor Doyle antworten konnte, sagte Barry: »Zuerst zündet man die Kohlen im Kessel an.«
»Danke, Barry. Warum läufst du nicht mal ein Stück am Gleis entlang und schaust nach, ob ein paar Weichen gestellt werden müssen?«
»Ich kenn mich mit so was aus. Unser Alter war nämlich Bremser. Hat uns durch ganz Südengland mitgenommen, wenn er nich gesoffen hat...«
»Ausgezeichnet, Barry. Glaubst du etwa, ich wüßte gar nichts über Eisenbahnen?«
Barry sprang murmelnd mit seiner Kerze vom Zug und schritt das Gleis ab. Sparks betrachtete sinnierend die Anordnung der vor ihnen befindlichen Hebel und Schalter.
»Stecken wir die Kohlen an, Doyle, wie Barry es vorgeschlagen hat, und dann ...« Sparks biß sich auf einen Finger und überlegte. »Welchen dieser vermaledeiten Hebel sollen wir Ihrer Meinung nach zuerst bedienen?«
Sie zündeten im Kessel ein Feuer an und schürten es, bis es rot glühte. Dann kehrte Barry zurück und meldete, daß das Gleis in gutem Zustand zu sein schien und ohne Unterbrechung mindestens eine Meile weit führte. Sparks fragte ihn, ob es irgendeinen Grund gäbe, nicht weiterzumachen was Barry den gnädigen Hinweis entlockte, den Druckmesser zu überprüfen, um anschließend bescheiden den Vorschlag zu äußern, so lange zu warten, bis der Kessel über ausreichend Dampf verfüge. Dann solle man
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