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Sieben

Sieben

Titel: Sieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
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streunendes Vieh stießen. Er setzte nur die Pfeife und die schiere Kraft seines Willens ein, wenn er den Tieren zuschrie, sie sollten das Gleis freimachen. Mehr als ein ländlicher Bahnhofsvorsteher kam aus seinem Häuschen gerannt, als sie an seiner Station vorbeijagtenffund starrte Barry sprachlos nach, der sie mit einem Winken und einem verwegenen Tippen an die Mütze grüßte - eine unplanmäßige Lok, die die methodische Ordnung der Eisenbahnwelt gefährdete. Barry demonstrierte eingehendes Wissen über das Gleisnetz, das die ländlichen Gebiete von Kent und Sussex durchzog, und wechselte bei jeder sich bietenden Gelegenheit von der Hauptstrecke auf eine seltener benutzte Frachtverkehrslinie. Einmal, als sie auf einem parallel verlaufenden Gleis den Personenzug überholten, der die Neujahrsurlauber von Dover nach London brachte, peitschte Barry sein Gefährt wie ein Jockey auf der Zielgeraden beim Irish Sweep-stakes voran. Als sie an dem fassungslosen Lokführer vorbeirasten, schrie und brüllte er ausgelassen und warf übermütig seine Mütze in die Luft. Barry war einfach ein Teufelskerl. Als es dämmerte, gingen sie notgedrungen mit dem Tempo herunter, denn nun erreichten sie das Labyrinth der Gleise und Weichen jener Strecken, die nach London führten. Und so verwirkten sie auf den letzten Meilen gezwungenermaßen die Zeit, die sie bei der halsbrecherischen Fahrt über das offene Land gewonnen hatten. Als sie schließlich auf einem Nebengleis des Privatbahnhofs von Battersea anhielten, der irgendeinem Bekannten Sparks' gehörte, war es Nacht geworden. Sie überließen es Barry, sich um die Lok zu kümmern, begaben sich zu einer in der Nähe befindlichen Hauptstraße und hielten eine Mietdroschke an. Sparks nannte dem Kutscher eine Adresse auf der anderen Seite des Flusses, in der Nähe der Strand.
    »Wohin gehen wir, Jack?« fragte Doyle. »Die finden mich doch bestimmt überall.«
    »Sie haben unsere Schritte zwar vorausberechnet«, sagte Sparks, »aber bis jetzt waren sie wohl notwendigerweise auch berechenbar. Ein neues Spiel fängt an. Menschenmengen sind das beste Versteck auf Erden, und in London gibt es mehr Löcher, als ein Bluthund in seinem ganzen Leben ausbuddeln könnte.« Er wischte sich mit einem Taschentuch geziert den Kohlenstaub aus dem Gesicht. »Offen gesagt, Doyle, Sie sollten sich mal anschauen. Sie sind so schwarz wie ein Kohlentrimmer.«
    »Von nun an«, sagte Doyle, der sich ziemlich erfolglos bemühte, den Ruß mit dem Ärmel aus seinem Gesicht zu entfernen, »würde ich es sehr zu schätzen wissen, wenn Sie mich wegen unserer weiteren Pläne und Schritte konsultieren, Jack. - Es wäre nämlich durchaus vorstellbar, daß ich hin und wieder eine Idee oder eine Meinung haben könnte, die auf unsere Bemühungen eine positive Auswirkung haben könnte.«
    Sparks musterte ihn mit liebevoller Erheiterung, doch bevor Doyle sich beleidigt fühlen konnte, sagte er: »Das steht wohl eindeutig fest. Die Härten der letzten paar Tage hätten die meisten Menschen in flüssigen Spinat verwandelt.«
    »Ich danke Ihnen. Aber um noch offener zu werden: Ich würde gern genau erfahren, was Sie wissen. Das heißt,
alles,
was Sie wissen.«
    »Sie sind schon gefährlich nahe dran ...«
    »Nahe reicht, fürchte ich, für meine Bedürfnisse kaum noch aus, Jack. Ich werde alle Geheimnisse, die Sie mir bis zu Ihrem Tod anvertrauen, für mich behalten. Ich schätze, mein bisheriges Verhalten gibt Ihnen nicht den geringsten Grund, daran zu zweifeln, daß man mich ins Vertrauen ziehen kann.«
    »Ich hege keine solchen Zweifel.«
    »Gut. Wann sollen wir anfangen?«
    »Nach einem heißen Bad«, sagte Sparks. »Bei Austern, Wild am Spieß, Hummer und Kaviar - begleitet vom Klang knallender Korken eines Weines dieses Jahrgangs. Immerhin ist heute Silvester. Was halten Sie davon?«
    »Ich kann nicht verhehlen«, sagte Doyle, dem das Wasser schon jetzt im Munde zusammenlief, »daß dies ein Plan ist, den ich ohne den geringsten Vorbehalt gutheißen kann.«
    Die Droschke setzte sie an der Strand, einem der lebhaftesten Boulevards Londons, vor einem nicht sonderlich einladend wirkenden Hotel ab. An diesem mondbeschienenen Silvesterabend wimmelte die Straße von mehr Menschen als je zuvor. Eine schmutzige Markise identifizierte das Etablissement als Hotel Melwyn. Zwei Schritte von einer Pension und eine ganze Stufe von der fadenscheinigsten Mittelklassenherberge entfernt, an die Doyle gewöhnt war, war es aber dennoch

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