Sieben auf einen Streich
flehentlich auf Stefan, doch kein Ablaß wurde
ihm zuteil. So hielt er sich die Nase zu, trank ein winzig Schlücklein und
stöhnte: »Die Weiber und der Suff, das reibt den Christoph uff!«
Auch Andreas bekam die Flasche,
süffelte lange daran und sagte nachdenklich: »Aber des isch doch Ka...«
Stefan legte ihm die Hand auf den Mund.
»Du hast völlig recht! Das ist doch
kannibalisch gut. Und jetzt kommt der Wubbel dran. Trink, mein Kind.«
Wubbel trank, und weil ihm das Spiel so
wohl gefallen, verlangte es ihn nach einer Wiederholung.
»Alle noch mal.«
»Nein«, sagte Klaus-Peter, so markig
wie eh und je, »nein, kommt nicht in Frage. Gitti ekelt sich. Ich schlage vor,
wir suchen ein gutes Restaurant und futtern was Feines.«
Ach, wie dieser Vorschlag die Familie erwärmte!
Wie die Augen strahlten und die Lippen lachten!
»Ja, kommt schnell! Wir gehen essen!«
»Gemach!« Michaels düsterer Blick
dämpfte unsere freudige Erregung. »Heute ist erster Mai und schlechtes Wetter.
Die Lokale sind voll und wir keine begehrten Gäste, so wie wir aussehen. Aber
bitte, wir können ja suchen...«
Wir suchten. Schickten Wubbel voraus,
damit sein unschuldiger Kinderblick die Herzen rühre. Ließen Fränzchen mit dem
braunen Zopf winken und die Rockerbraut mit den schwarzen Augen. Es nützte nichts.
Die Lokale waren besetzt, die Kellner am Rande eines Nervenzusammenbruchs und
keineswegs freudig bereit, mit siebzehn verdreckten Gästen die drangvolle Enge
und den Arbeitsanfall noch zusätzlich zu vermehren.
Freundschaft mit
Pfarrerssöhnen und Erbsensuppe mit Speck
Endlich landeten wir in einer kleinen
vergammelten Waldschenke. Warmer Mief schlug uns
entgegen, Bierdunst und Grölen. Der Maiausflug eines Kegelklubs nahm hier ein
feuchtfröhliches Ende. Aber die Zeit, wählerisch zu sein, war endgültig vorbei.
In der Ecke bullerte ein Kanonenöfchen und sandte Wärme aus. Wir drückten uns
in die Wirtsstube hinein, Michael als Rammbock voraus. Das abweisende Gesicht
des Wirtes nahm er nicht zur Kenntnis und auch nicht die Versicherung der
Kellnerin, es sei kein Platz mehr frei.
»Wir rücken auf der Bank zusammen.«
Es war sehr eng, aber uns war auch sehr
kalt, und so nahmen wir die Enge gern in Kauf. Der Kegelklub drückte sich
bereitwillig in die andere Ecke, als unsere nassen Kleider zu dampfen begannen.
Die Rockerbraut, besorgt um Wubbels
Gesundheit, zog ihm unbekümmert alles aus, was er auf dem Leib trug, und
drapierte es um den Ofen herum. Stefan wickelte den Kleinen in eine Autodecke,
aus der er vergnügt hervorlugte und alsbald etwas zu essen begehrte.
Ich stürzte mich auf Andreas und
Mathias, um auch an ihnen Mutterpflichten zu üben und sie vor Erkältung zu
bewahren. Aber die beiden entzogen sich meinem Zugriff, schüttelten den Kopf in
Verwunderung über diese unverständige Mutter, die sie mit ihren stolzen sechs
und acht Jahren noch wie Kinder zu behandeln gedachte, wie den klitzekleinen
Wubbel etwa, dem sie doch an Alter und Weisheit weit überlegen. Und als ich
weiter an ihnen herumzerrte und wenigstens die Pullover haben wollte, sprach
Andreas mit Würde: »Noi, Mutti, des geht net! Da sin mir wirklich z’ groß
dazu!« Mathias nickte. Dann stellten sie sich vor den Ofen und ließen die
nassen Sachen am Leibe trocknen.
Das vierte Kind Henriette, den anderen
drei »Säuglingen« wiederum Lichtjahre voraus an Alter, Erfahrung und
Weltverachtung, saß auf der Fensterbank, vom Vorhang halb verdeckt, das Gesicht
abgewandt, damit ja niemand denken könne, sie gehöre etwa zu dieser lärmenden
Meute.
»Geh wenigstens an den Ofen, Jette!«
flehte Mutter Beate.
»Ich bin nicht so empfindlich wie
gewisse andere Leute!« antwortete das gute Kind, drehte den Kassettenrekorder
auf und suchte mit Hilfe der Beatles, den Gesang der Klubbrüder zu übertönen.
»Hast du vielleicht noch eine andere
Kassette in deinen Beständen?« Fränzchens Stimme klang so spitz, daß sie sogar
die Beatles durchstach. »Diese kennen wir nun schon in- und auswendig, und ich
muß dir gestehen, ich kann sie nicht mehr hören!«
»Ich schon!« Henriette schaute
gelangweilt zum Fenster hinaus. »Mir gefällt sie mit jedem Mal besser. Es liegt
am Verständnis, Tante Fränzchen, und an der Beweglichkeit.«
Fränzchen klappte den Mund zu, riß
dafür aber die Augen auf und schaute anklagend hoch zur verrußten Zimmerdecke.
Nachdem ihr von dort keine Hilfe zuteil geworden, ließ sie den Blick sinken,
bis er auf Beate
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