Sieben auf einen Streich
nutzen können und aus einem geplagten Räusperer einen fröhlichen
Menschen machen? Jetzt hingen ihr die Haare naß und wenig kleidsam ins Gesicht,
die hellblauen Hosen hatten dunkelblaue Flecken, und auf dem roten Anorak
klebte sogar ein Batzen Schlamm. Arme Gitti, die Strafe war hart, aber gerecht
gewesen.
»Komm, Gitti, zieh den Anorak aus«,
sagte Klaus-Peter ohne jeden Räusperer, »sonst wirst du dich erkälten. Schau,
meine Jacke ist ganz trocken.« Er half ihr aus dem Anorak in seine warme
Lederjacke, worin sie beinahe verschwand. Aber die Augen guckten noch heraus
und mit diesen blickte sie zu ihm auf. Da nahm er sie in die Arme und sprach:
»Komm, Kleines, ich wärme dich.«
Michael, der sonst so kühle große
Bruder, schimpfte wie ein Rohrspatz. Veras Haare, ach die konnte er leicht
verschmerzen, aber seine Kamera, seine Neuanschaffung.
»Menschenskind, Florian, mußtest du
unbedingt auf sie spritzen? Das Ding war teuer!«
Nur Ehefrau Beate verhielt sich kühl
und ruhig.
»Dein Hut schwimmt noch im Becken,
Florian«, sagte sie, wandte sich ab und ging dem Parkplatz zu.
Andreas und Mathias ergriffen eine
Stange, schleppten sie zum Becken und angelten den Hut heraus, wobei sie ihn
mehrfach untertauchten. Dann stülpten sie das formlose Ding auf die Stange und
zogen uns singend voran.
Florian stand schmählich verlassen am
Wasserfall. Aber nein, Henriette saß auf einem Felsbrocken und trocknete den
Kassettenrekorder. Sie trat zu ihrem Vater, bückte sich und wrang seine nassen
Hosenbeine aus.
»O Floh!« sagte sie im Ton einer
betrübten Mutter. »O Floh, warum machst du immer so was?«
Michael hatte die geliebte Kamera in
warme Decken eingewickelt und im Auto verstaut. Nun wanderte sein Blick über
die nasse Familie. Er seufzte.
»Leute, wir müssen unsere Pläne ändern.
So, wie wir aussehen, haben wir in Goslar keine Chance. Sie lassen uns nirgends
rein...«
»Aber der Wubbel muß ins Warme, und
zwar sofort, sonst erkältet er sich!« Die Rockerbraut hielt ihren Sohn fest an
sich gedrückt. Sie blickte nicht mehr sanft! Oh, nein, sie ließ die schwarzen
Augen zornig funkeln, und das deutlich in Richtung von Ehemann Stefan: Tu
gefälligst was, denn diese deine Familie richtet unseren Wubbel zugrunde!
Christoph kam dem bedrängten Bruder zu
Hilfe.
»Seid friedlich, ihr Lieben, und schaut
her, was ich habe!«
Er angelte in seiner Jackentasche und
förderte ein Fläschchen Obstler zutage.
»Das ist die richtige Arznei gegen
Erkältungen, das wird uns wärmen.« Die Flasche wurde mit Dankbarkeit begrüßt
und ging alsbald von Mund zu Mund. Jeder Erwachsene nahm einen gehörigen
Schluck. Wubbel sah, wie sie den Kopf in den Nacken legten, tranken, die Augen
verdrehten und sprachen: »Hah, das tut gut!«, und es verlangte ihn mächtig,
auch von dieser Köstlichkeit zu kosten. Also riß er das Mäulchen auf und
krähte: »Wubbel will au!«
Stefan warf einen Blick auf seinen
Sohn, sah die wilde Entschlossenheit in dessen Gesicht und hielt sich nicht
lange mit Gegenargumenten auf. Er setzte unverzüglich die Flasche an den Mund,
schluckte, schüttelte sich und spuckte sogar aus.
»Ah bah! Schrecklich! Scheußlich!«
Aber der Wubbel war nicht beeindruckt
von der schauspielerischen Leistung seines Vaters. Er wiederholte, eine Nuance
schriller: »Wubbel will au!«
Die Rockerbraut lief zum Auto und
kehrte mit einer Thermosflasche zurück.
»Und jetzt bekommt unser Wubbel einen
ganz feinen Kamillentee. Der wird dem Bäuchlein guttun. Da, Wubbel, trink.«
Aber der Knabe schüttelte energisch das
Köpfchen. Sein Atem ging kurz und schnell, die Lippen zitterten, die Mundwinkel
sanken.
»Er pumpt«, stellte Andreas fest, »glei
geht’s los!«
Stefan nahm die Thermosflasche an sich
und verschwand mit ihr hinter dem Auto. Noch war der wohlbekannte Heulton nicht
über uns hereingebrochen, noch pumpte der Wubbel still vor sich hin, denn er
war von der bedächtigen Art des Vaters, als dieser wieder bei uns erschien, die
Schnapsflasche in der Hand.
»Also gut, Wubbel, dann trink halt!«
Der Wubbel aber schüttelte den Kopf und
blickte mißtrauisch auf die gelbliche Flüssigkeit in der Flasche.
»Erst alle!« verlangte er.
Stefan schaute streng und warnend in
die Runde. Trinkt, ihr Lieben! so hieß das, oder es wird euch schlecht ergehen!
Michael streckte als erster die Hand
aus, nahm, trank und schüttelte sich: »Hah, das tut gut!«
Er reichte die Flasche weiter zu
Christoph hinüber. Der blickte
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