Sieben auf einen Streich
überhaupt
verabscheuungswürdig war.
Er legte den Löffel nieder, schob den
Teller von sich und richtete sein Augenmerk auf Florian, der da vergnügt
futterte und offenbar völlig vergessen hatte, was die Familie durch ihn und
seine sportliche Übung erdulden mußte.
»Menschenskind, Sportsmann! Wegen dir
sitzen wir hier in dieser elenden Beize und löffeln Erbsensuppe.«
»Ja, in Goslar hätten wir weit besser
essen können!« Selbst Bruder Michael konnte seinen Ärger nur schwer verbergen,
war er doch auch ein freudiger Esser, nur daß er im Gegensatz zu den jüngeren
Brüdern niemals irgendwelche Anstrengungen unternahm, die glücklich
angefutterten Pfunde wieder kläglich abzuhungern. Er hatte es nicht nötig, in
punkto Gewicht mit jemandem zu konkurrieren. Ehefrau Vera liebte, wie sie nicht
müde wurde zu beteuern, jedes einzelne Pfund an ihm. Also trug er seine
Leibesfülle ächzend, aber zufrieden durch die Lande. Erbsensuppe allerdings
gehörte, milde ausgedrückt, nicht zu seinen Leibgerichten, erinnerte sie ihn
doch an eine unerfreuliche Zeit, an Kasernen, Krieg und Gulaschkanonen.
Florian aber kümmerte sich nicht um den
Ärger der enttäuschten Feinschmecker. Trotzdem wollte ihm die Suppe nicht mehr
schmecken, denn sein Blick war auf Beate gefallen. Sie saß in einer Ecke und
trank schwarzen Kaffee.
»Sag schon was!« fuhr er sie an. »Gieß
deinen Zorn über mich aus!«
Beate wandte ihm nicht einmal das
Gesicht zu, blieb versunken in den Anblick des farbenprächtigen Gemäldes. Zu
diesem hin sprach sie endlich: »Da gibt es nichts zu sagen. Du weißt, was ich
von deinen Kunststücken halte. Irgendwann sollte man erwachsen werden...«
Sie hätte noch einiges hinzufügen
wollen, aber ›All you need is love, love, love...‹ brüllten die Beatles
dazwischen. Henriette hatte sie zu voller Lautstärke aufgedreht, so daß jedes
weitere Wort ihrer Eltern darunter erstickte. Wenn dieses reizende Geschöpfchen
auch jeder Zeit jeden Menschen mit Wonne vor den Kopf stieß und Streit anfing, wo
immer dies möglich war, ihre Eltern sollten sich nicht streiten, nicht vor
anderen Leuten und nicht vor Henriette.
Jetzt stieß sie einen schrillen
Weheschrei aus, denn Onkel Michael hatte ihren Kassettenrekorder ergriffen und
den Beatles den Hals abgedreht. In die Stille hinein sprach er die Worte:
»Leute, es hat aufgeklart. Ich schlage vor, wir machen eine Wanderung. Nach dem
Essen sollte man laufen.«
»Nach diesem Donnergemüse wird es
allerdings nötig sein«, bemerkte Christoph, »und hier ist es nicht so
gemütlich, daß man unbedingt Wurzeln schlagen möchte.«
Die Rockerbraut versuchte den Wubbel
auf ihren Schoß zu ziehen.
»So, und jetzt machen wir ein schönes
Mittagsschläfchen.«
Aber das Bürschlein hatte anderes im
Sinn, schlüpfte aus der Decke und sprang splitternackt im Gastraum herum. Die
Rockerbraut seufzte, fing ihren Sohn ein und begann ihn anzukleiden, wobei ihr
Andreas und Mathias mit großem Eifer und Ungeschick halfen.
So brachen wir denn zur sichtbaren
Erleichterung des Wirtes um drei Uhr auf.
Der gewaltige
Überblick und das hohe Lied der Liebe
Draußen war es kalt und unwirtlich.
Frierend standen wir im tropfenden Wald und trachteten
danach, so schnell wie möglich loszuwandern, um warm zu werden und es hinter
uns zu bringen. Aber die Herren, um Michael versammelt, palaverten und starrten
auf dessen Wegkarte. Es war dies eine Karte für den gesamten Harz, die Straßen
deutlich sichtbar, die Wege als winzige Schlänglein nur mit der Lupe zu
erkennen.
»Schade, daß du keine Karte von ganz Deutschland
mitgenommen hast«, bemerkte Christoph, »dann nämlich wäre der Überblick noch
gewaltiger gewesen.«
Stefan, nachdem er die Karte lange und
gründlich studiert, wiegte bedächtig den Kopf und äußerte, er fände es
schwierig, nach einer Karte zu wandern, auf der man nicht einmal den eigenen
Standpunkt zu erkennen vermöge.
Klaus-Peter bat dringlich, einen Weg zu
wählen, auf welchem weder Schlangen noch Raupen, noch sonstiges Gewürm
herumkrieche, da Gitti sich vor diesem allem ekle.
Florian aber schlug sich an die Brust
und klagte laut, warum um alles in der Welt er keinen Kompaß mitgenommen, da er
doch wisse, wie unsportlich diese Familie sei und wie selten sie wandere.
Schon bei den ersten Worten seiner
beweglichen Klage hatte sich Ehefrau Beate abgewandt und war auf dem erstbesten
Weg in den Wald hineinmarschiert, ich lief hinterher, und alle anderen
weiblichen
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