Sieben auf einen Streich
und Florian ruhte, den Eltern dieses ungeratenen Kindes. Hatte
man je eine so unglaubliche Frechheit gehört? Mußte sie, Franziska, begnadete
Gymnastiklehrerin und Expertin für Beweglichkeit, Rhythmus und
Musikverständnis, mußte sie sich das gefallen lassen von diesem tolpatschigen
Elefantenbaby, das von derlei Künsten rein gar nichts verstand?
Aber Beates Gesicht blieb verschlossen.
Ihre Augen blickten hochmütig und uninteressiert an Fränzchen vorbei hinüber
auf die Wand zu einem Gemälde von unerhört greller Farbenpracht.
Sämtliche anderen Geschwister samt dem
Sportsmann Florian hielten die Köpfe gesenkt, aßen Erbsensuppe mit Speck und
waren offenbar nicht willens, Fränzchens berechtigten Zorn zu würdigen.
Da warf sie Kopf und Zopf zurück und
verschwendete keine einzige kostbare Träne. Nur ein Seufzer tat kund, was sie
von ihren Geschwistern hielt.
Florians Schuhe standen vor dem Ofen.
Er trug die gelben Gummistiefel seines Schwagers Christoph, klagte aber, daß
dieselben ihn drückten.
»Jammer nicht, sei dankbar, daß du sie
hast!« brummte Christoph, dessen Laune mit jedem Löffel Erbsensuppe schlechter
wurde.
Er aß nicht gerne Erbsensuppe,
erinnerte sie ihn doch an seinen Schulfreund Waldemar, dessen Vater
Suppenbüchsen herstellte, und zwar in großen Mengen. Dieser Waldemar war wenig
interessiert an schulischem Gedankengut und lästigen Hausaufgaben. So ergänzten
sich die beiden Freunde aufs beste, führten ein faules Leben, spielten, wenn
andere lernten, und erforschten Gottes wunderbare Natur, während ihre Kameraden
nachmittags im Zeichensaal Farben mischten und Stifte spitzten.
Wurde Freund Waldemar zu Hause gefragt,
wo er gewesen, so antwortete der Knabe wahrheitsgemäß: »Bei Pfarrers
Christoph!«
Diese Auskunft beruhigte und erfreute die
gute Mutter, denn, so dachte sie in ihres Herzens Sinn, bei Pfarrers ist der
Waldi gut aufgehoben. Dort herrscht ein Geist der Zucht, und die beiden werden
lernen und gebildete Gespräche führen.
So ging sie denn nichtsahnend und
frohgemut zur Schule, als sie dorthin bestellt wurde. Es wird sich, so meinte
sie, um eine Lobeshymne handeln, die der Lehrer dem Waldi singt, denn er ist
ein liebes und kluges Kind. Dr. Mausbacher aber, der Lehrer, betrachtete sie
mit ernsten Blicken, so daß ihr Herz schwer wurde und immer schwerer, je
beredter der Lehrer über ihres Waldis Tun und vor allem über sein Lassen sprach
und seine schulische Unzulänglichkeit. »Ach«, rief sie schließlich in großer
Traurigkeit, um wenigstens ein Gewicht zugunsten des geschmähten Waldi in die
Waagschale zu werfen, »ach, lieber Doktor Mausbacher, wie ist das nur möglich?
Er ist doch der Freund von Pfarrers Christoph, und die beiden sind
unzertrennlich!«
Sie schaute ihn an, Triumph im Blick.
Aber der Doktor rang die Hände und raufte die Haare und sah des Suppenmachers
Gattin voll Mitleid an.
»Auch das noch«, sprach er, »da kommt
ja alles zusammen!«
Diese Geschichte hatte Freund Waldi dem
Christoph nicht vorenthalten, sondern sie vielmehr erzählt in allen
Einzelheiten und hinzugefügt, er müsse nunmehr seinen Umgang meiden, wenigstens
vor den Augen der Welt und seiner Eltern.
Christoph aber schlug die Geschichte
auf den Magen, genauso wie die Erbsensuppe, die er jetzt essen mußte,
uneingedenk der Tatsache, daß er sich schmeicheln durfte, ein Feinschmecker zu
sein. Viele Male hatte er das den Geschwistern kundgetan und sie eingeladen zu
köstlichen Mahlzeiten, bereitet von Julias kundiger Hand, damit sie wenigstens
ab und zu etwas Exquisites zwischen die Zähne bekämen.
Übrigens kochte auch die Rockerbraut
ausgezeichnet, weshalb die beiden feindlichen Brüder gleichermaßen
Schwierigkeiten mit ihrer Figur hatten. Sie kämpften mannhaft gegen die Pfunde
und taten dies besonders energisch, sobald ein gegenseitiger Besuch in Aussicht
stand. Jeder wollte dünner sein als der andere und wenigstens hundert Gramm
weniger auf die Waage bringen. Auch dieses Treffen fand sie rank und schlank.
Sie zeigten voller Stolz, wie locker die Hose saß und was alles noch in ihre
Jacke hineinpassen würde, falls es nötig wäre.
Nun, und das mußte Christoph besonders
verdrießen, sah er sich genötigt, Erbsensuppe mit Speck zu essen, denn es gab
kein anderes warmes Gericht. Wenn er schon zunehmen sollte, dann wäre es ihm
weit lieber gewesen, dies mit Hilfe einer köstlichen Mahlzeit zu tun als durch
eine Suppe, die kalorienreich, aber geschmacksarm und
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