Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sieben auf einen Streich

Sieben auf einen Streich

Titel: Sieben auf einen Streich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amei Müller
Vom Netzwerk:
Familienmitglieder, des langen Wartens müde, schlossen sich an. Da
endlich gewannen unsere Herren die Überzeugung, diese Richtung sei auf jeden Fall
die falsche. Sie pfiffen uns zurück.
    »Wollt ihr nun auf den Achtermann oder
nicht?« fragte Michael leicht gereizt.
    »Was ist der Achtermann?« Ich erlaubte
mir diese Frage.
    »Ein Berg! Man hat von dort eine
herrliche Aussicht über den ganzen Harz!«
    »Das wird ein Hochgenuß werden bei dem
Nebel.«
    Michael bedachte mich wieder mit seinem
»Hüte-deine-Zunge-Blick«, dann wandte er sich den anderen Frauen zu.
    »Was wollt ihr dann?«
    »Einen kleinen Spaziergang machen,
damit wir frische Luft schnappen können und ein gutes Gefühl haben...«
    »Wieso habt ihr ein gutes Gefühl, wenn
ihr rumlatscht?« klagte Henriette. »Ich hätt’ ein viel besseres, wenn ich nicht
laufen müßt’. Dem Rekorder tut’s auch nicht gut, so im nassen Wald...«
    »Dann stell ihn halt, verflixt noch
mal, ins Auto!« schnauzte Michael. »Mir hängt das Geschrei sowieso zum Hals
raus. Du vergraulst alle Tiere.«
    »Was für Tiere?«
    »Stell dich nicht blöd! Die Tiere des
Waldes natürlich! Hirsche, Hasen, Rehe, schon davon gehört?«
    »Pah, die brauch’ ich nicht mehr zu vergraulen,
die rennen von ganz allein, wenn sie diese Familie sehen!«
    Michael blickte erst anklagend gen
Himmel und dann auf Sportsmann Florian und dessen mißratene Tochter.
    »Wenn wir früher so frech gewesen wären
zu den Erwachsenen... Nie hätten wir es gewagt! Eine Ohrfeige hätten wir
gefangen! In die Erziehungsanstalt wären wir gekommen...«
    Ich hörte seine Worte und wollte meinen
Ohren nicht trauen. Aber da stand er mit dem Gesicht eines Gerechten und schien
tatsächlich zu glauben, was er eben gesagt hatte. Wie vergeßlich der Mensch
doch ist, besonders, wenn es um eigene Schandtaten geht! Ich hätte dem
Gedächtnis des Guten mit Leichtigkeit nachhelfen können, diese und jene
erbauliche Anekdote erzählen, aber den Triumph wollte ich Henriette nun doch
nicht gönnen. Die Geschwister wußten ohnehin Bescheid.
    Ach, was hatte er nicht alles getan, um
gute Menschen vor den Kopf zu stoßen! Einst, als der Kreis der Amtsbrüder in
Vaters Studierzimmer über dem Predigttext saß, ließ er zwei Katzen durchs
Fenster in die erhabene Runde springen. Es befand sich aber unter den
Amtsbrüdern einer, welcher Samuel Kater hieß, doch uneingedenk seines Namens
Katzen verabscheute. Er hatte für diesen Tag die Exegese ausgearbeitet und
bereits eine Fülle von guten und tiefen Gedanken über die Macht der Liebe
vorgetragen, denn sie behandelten i. Korinther 13: »Die Liebe ist langmütig und
freundlich, sie eifert nicht, sie stellet sich nicht ungebärdig...«
    Als nun die Katzen ins Zimmer sprangen,
sprang auch Bruder Kater auf, eilte raschen Schrittes zum Fenster und rief
überaus ungebärdige und eifernde Worte hinter dem flüchtenden Übeltäter her,
worauf der sich umdrehte und in beklagenswerter Bosheit auch noch die Zunge
herausstreckte. So jedenfalls berichtete der eifernde Gottesknecht den anderen
Brüdern, die peinlich berührt den Kopf über die Bibel neigten, derweil Vater
die Katzen mit freundlichen Worten zu sich lockte und sie denselben Weg
zurückschickte, den sie gekommen. Dann schloß er das Fenster. Er wolle den
Bruder gewiß nicht Lügen strafen, so sprach er, aber er halte es für
schlechterdings unmöglich, daß sein Sohn einem Erwachsenen die Zunge
herausstrecke. Falls das Unglaubliche aber doch geschehen, so bitte er für den
Sohn um Verzeihung. Bruder Meiser von der Nachbarpfarrei bemerkte mit leisem
Tadel, auch Katzen seien Geschöpfe Gottes, und Zorn trübe gar oft den Blick und
verzerre das Bild. Er bitte den Bruder inständig, sich zu fassen und in seiner
Exegese fortzufahren.
    Aber Bruder Kater war nicht fähig, das
hohe Lied der Liebe aufs neue anzustimmen. Nicht hier im Kreis der Amtsbrüder,
die sich besser vorkamen und frommer als er, obwohl sie doch gleichermaßen
schwer trugen an der Last, nach der Lehre zu leben, die ihnen auf der Kanzel so
beredt von den Lippen floß.
    Er verstaute die Bibel samt den
Ausführungen über i. Korinther 13 in seiner Aktentasche, erhob sich und bat,
den frühen Aufbruch zu entschuldigen, da die Pflicht ihn rufe. Selbst meiner
Mutter holdseliges Lächeln draußen in der Diele, während sie ihm Hut und Mantel
reichte und Grüße auftrug an die liebe Frau Elfriede, vermochte seine Züge
nicht zu erhellen. Dieser verflixte Bengel hatte ihn um die

Weitere Kostenlose Bücher