Sieben auf einen Streich
Brust
schwelte noch immer dumpfer Groll über die Schmach, die ihm der Bruder angetan.
Mathias dagegen trug schwer an der Tatsache, daß Andreas den Motor des Porsche
hatte besichtigen dürfen. Dauernd rieb er ihm diese Bevorzugung unter die Nase
und redete von Automotoren, obgleich er nicht das geringste davon verstand.
Jeder haderte im stillen, daß er mit einem solchen Bruder geschlagen. Als der
Zorn zu mächtig geworden, um länger im Verborgenen zu blühen, ergriff Mathias
die Colaflasche, welche Andreas gehörte, und machte Anstalten, sich daraus zu
bedienen. Er kam jedoch zu keinem Schluck, denn Andreas riß ihm die Flasche aus
den Händen und beglückte den Bruder statt ihrer mit einer Ohrfeige. Da schlug
auch Mathias herzhaft zu.
»Benehmt euch, Pfarrerskinder,
elendigliche!« rief Christoph.
»Das ist ein Hammer!« Der Yogi ließ den
Löffel fallen. »Pfarrerskinder, stimmt das?«
»Und wie!« Florians Arme fuhren
weitausladend über den Familientisch hin.
»Predigende Bewegungen« nannten wir
solche Gesten. Mir waren sie schon als Kind verhaßt. Ach, wie zitterte mein
Herz, wenn Vater oben auf der Kanzel predigende Bewegungen vollführte, wenn
seine weiten Talarärmel dabei über die Kanzelbrüstung strichen, die Papiere
dort in Aufruhr versetzten und schließlich gar hinunterstreiften, zum Vergnügen
der Gemeindejugend und zum Entsetzen der Pfarrkinder. Auch bei Manfred hatte
ich schon ähnliches miterleben müssen. Deshalb legte ich die Stirn in finstere
Falten, als nun der sportliche Schwager predigende Bewegungen über dem
Abendbrottisch vollführte. Florian dagegen strahlte vor Stolz, als hätte er
eine Sammlung kostbarer Schmuckstücke anzubieten.
»Lauter Pfarrerskinder«, tönte er, »wohin
das Auge blickt. Hier unser Jettchen. Da drüben die beiden Kampfhähne. Oben im
Bett der kleine Wubbel. Dazu sieben Exemplare der reiferen Jugend, sozusagen
der ›harte Kern‹ der Familie...«
Diese letzte Bemerkung fand er offenbar
ungeheuer witzig, denn er lachte schallend, bis er merkte, daß niemand sonst
seine Fröhlichkeit teilte. Also klappte er den Mund zu und ließ dafür den
Zeigefinger wandern, um die Schmuckstücke einzeln vorzuführen.
Er deutete auf Michaels Bäuchlein,
malte ein Herz in Beates Richtung, strich über mich hin, »was guckst du denn so
finster, geliebte Schwägerin«, fuhr weiter zu Stefan und Christoph, die beide
nicht aufschauten, denn sie hatten auf dem Tischtuch zwischen sich rote Flecken
entdeckt, vermutlich von Tomatensoße.
Christoph sagte gerade: »Ihr solltet
dem Wubbel endlich beibringen, daß er nicht mit den Fingern ins Essen greifen
darf. Dazu hat man Löffel und Gabel. Schließlich ist er drei Jahre alt!«
»Kümmer dich um deine Angelegenheiten!«
knurrte Stefan, hob den Kopf und sah Florians Finger auf sich gerichtet. Er
meinte, auch der Schwager wolle seine Kindererziehung rügen, und reagierte
ausgesprochen sauer.
»Mein Wubbel kann essen, wie er will,
verstanden!« bellte er zu Florian hinüber und unterstrich seine Meinung durch
einen energischen Faustschlag auf den Tisch. Florian geriet in Verwirrung,
wußte er doch nicht, was er mit dieser Bemerkung des sonst so ruhigen Schwagers
anfangen sollte. Er ließ sich aber auf nichts ein, zeigte vielmehr auf Gittis
blondes Haupt und blieb schließlich mit dem Finger über Fränzchens Haarkrone
hängen, in der sich schon der Blick des Harztigers verfangen hatte.
»Lauter Pfarrerskinder!« Damit beendete
Florian seine Vorstellung.
»Ich werd’ verrückt!« Der Yogi lehnte
sich zurück. Wahrhaftig, er lachte, daß die Barthaare zitterten. »Mann, da hab’
ich aber einen Riecher gehabt!«
»Hast du was dagegen?« Jettes Stimme
klang spitz und verletzt, zu oft schon hatte ihr der Beruf des Vaters Ärger
bereitet. Sätze wie: »Ja, schämst du dich denn nicht, als Pfarrerstochter...«
oder »Was, dein Vater ist Pfarrer?! Das ist ja zum Piepen...« Solche Sätze
gellten ihr in den Ohren, und also reagierte sie mit Schärfe auf Yogis
Heiterkeitsausbruch. »Was gibt’s da zu lachen? Blöder Kerl!«
Der Yogi verstummte und riß die Augen
auf, um zu erkennen, welch böser Geist in seine Freundin gefahren, daß sie ihn
anfunkelte und anzischte, als sei er der Teufel höchstpersönlich.
»Mann, Jette, ich bin doch auch eines,
ein Pfarrerskind!«
Da wurde ihr Blick wieder milde und
ihre Stimme voll Wärme und Freundlichkeit.
»Ach, du Armer!« sagte sie.
Kaum hatte Florian vernommen, wessen
Kind seine Tochter
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