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Sieben auf einen Streich

Sieben auf einen Streich

Titel: Sieben auf einen Streich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amei Müller
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das
Fest hineinzustoßen, da kam sie hinterhergeschnauft im Schmuck der neuen Bluse.
Nach kurzer Musterung und tiefem Seufzer zog Mutti die Stola von den eigenen
Schultern, um sie über die der Tochter zu breiten. Als Fränzchen aufmucken
wollte und die ungeliebte Hülle von sich streifen, traf sie ein scharfer
mütterlicher Blick und die Worte: »Du hast ihn wieder mit Sicherheitsnadeln
zugesteckt! Jedes Gemeindemitglied kann es sehen! Es ist eine Schande!«
    Diese Bluse, dünn im Stoff und an den
Ärmeln verschwenderisch mit Stickerei ausgestattet, bot an Vorder- und
Rückenteil einen beklagenswert freien Durchblick. Doch schon am nächsten Tag
wurde diesem Zustand ein Ende bereitet, denn als Fränzchen am Morgen das Haus
verließ, holte Mutti die Bluse, begab sich an den Nähtisch und nutzte die Zeit.
Sie zauberte prachtvolles Rankenwerk auf das durchsichtige Ärgernis, und als
sie es ihrer Tochter wieder in die Arme legte, da blieb dieser beinahe das Herz
stehen vor Entzücken oder Entsetzen, denn die Bluse war zu einem einzigen
Blütenmeer geworden. Außer phantastischen Stickgewächsen gab es nichts mehr zu
entdecken. Wer nun sein Auge auf Fränzchen und ihre Bluse warf, der konnte es
reinen Herzens tun und mit unverhülltem Wohlgefallen. So auch der Harztiger.
    Der Yogi indes hatte kein Auge für
weibliche Kleidungsstücke, sonst hätte Jette mit ihrem unförmigen
Rollkragenpullover nicht eben günstig abgeschnitten. Nein, der Yogi war
anderweitig beschäftigt, er dachte. Nachdem er dies eine Zeitlang getan,
gelangte er zu der Erkenntnis, daß die Tante an seiner Seite und der Fremdling
in Blau ein hübsches Paar ergeben würden und daß möglicherweise schon zarte
Bande zwischen den beiden geknüpft waren.
    »Was, ihr kennt euch?« rief er. »Na,
das ist ein Hammer! Warum setzt er sich nicht an unseren Tisch? Ehrlich, Mann,
die freuen sich!«
    Jette versuchte, ihn durch
Augenzwinkern, Stöße und Tritte zum Schweigen zu bringen. Aber der Yogi
verstand dies alles nur als Ermunterung, ereiferte sich immer mehr und machte
schließlich Anstalten, des Harztigers Hand zu ergreifen, um ihn in Fränzchens
Arme zu zwingen. In seine Bemühungen hinein klang von der Tür her ein Schrei.
Kein Wort, der menschlichen Sprache entnommen, nein, ein Laut überströmender
Freude, überquellenden Glücks. Hinter den Schallwellen her stürmte Mathias,
strahlenden Auges und lachenden Mundes. Er warf sich dem Porschefahrer nicht an
den Hals und nicht zu Füßen. Er vollzog vielmehr eine Vollbremsung auf beiden
Sohlen, rutschte ein Stück und kam kurz vor der Pfeife zum Stillstand.
    »Fahrn mir?!« stieß er hervor.
    »Fahrn wir!« antwortete der Harztiger,
legte die Pfeife in den Aschenbecher und den Arm auf Mathias’ Schulter und ging
mit ihm der Tür zu — mit ihm, der wieder auf Wolken schwebte, der keinen Blick
zurückwarf und keinen zur Seite, der Vater und Mutter dahinten ließ und vorwärts
strebte, dem Porsche zu, dem heißgeliebten. Kurz darauf hörte man diesen
aufheulen, den Kies spritzen, weg waren sie.
    Jette nützte die Zeit, den Yogi
aufzuklären. Sie tat es in hohem Flüsterton.
    »Den brauchst du nicht noch
anzuschleifen!« zischte sie. »Der ist schon scharf genug auf Tante Fränzchen!
Ein ganz mieser Typ ist das, ein ganz mieser...«
    »Halt mal die Luft an, Jettchen!« Vater
Florian unterbrach die Tirade der Tochter. »So mies ist er nun auch wieder
nicht.«
    »Ich finde es aller Ehren wert, daß er
sein Versprechen hält und mit Mathias Auto fährt!« sprach Manfred mit
Nachdruck.
    »Wo Fränzchen doch so widerlich zu ihm
war!« fügte ich hinzu, denn mein Herz schlug warm für den Harztiger, seitdem
ich den Jubelschrei meines Sohnes vernommen.
    »Ich denk’, ich hör’ nicht recht!«
Fränzchen keuchte vor Entrüstung. »Erst macht ihr ihn stinkig und madig, und
jetzt hackt ihr auf mir rum...«
    »Kein Mensch hackt auf dir rum«, sagte
Beate, »du mußt nicht alles dramatisieren. Es ist nur leider so und läßt sich
nicht bestreiten, daß du recht unfreundlich zu ihm warst. Dabei ist er im
Grunde ein netter Mensch.«
    »Und er sieht fabelhaft aus, das muß
ihm der Neid lassen!« Nachdem Gitti diese Feststellung gemacht, ließ
Klaus-Peter einen dumpfen Räusperer über die Tischrunde grollen und schickte
die Worte hinterher: »Nur leider ist er schon recht alt!«
    Fränzchen saß mit offenem Mund, die
Bänder in ihrer Haarkrone bebten.
    »Was seid ihr bloß für Menschen?« stieß
sie endlich hervor.

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