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Sieben Jahre

Sieben Jahre

Titel: Sieben Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Stamm
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keine Kinder großziehen, sagte Sonja.
    Alice hatte einen Massagetermin. Ferdi fragte, ob wir mit in die Sauna kämen vor dem Abendessen. Ich schaute Sonja an. Sie sagte, sie habe keine Lust, aber ich solle ruhig gehen. Sie habe ohnehin noch ein wenig arbeiten wollen.
    Du bist immer noch gut in Form, sagte Ferdi in der Umkleidekabine und klatschte sich mit der flachen Hand auf den Bauch, ich habe ein bisschen zugenommen. Alice ist eine tolle Köchin.
    Wir waren die Einzigen in der Sauna. Ferdi fragte, wie das Geschäft laufe, und ich sagte, wir könnten uns nicht beklagen. Berlin ist ein Eldorado, sagte er, wenn man ein bisschen auf Zack ist, kann man sich eine goldene Nase verdienen. Er habe sich mit seinem Büro auf den Bau von Geschäftshäusern spezialisiert, vielleicht nicht die spannendsten Projekte, aber gut bezahlt. Seine Kunden dächten kurzfristig, sagte er, die Gebäude müssten in drei Jahren amortisiert sein, weiter plane heute keiner mehr. Gestaltung schade nicht, sagte er, aber das Wichtigste seien Terminsicherheit und die Einhaltung der veranschlagten Kosten.
    Er sprach über eine neuartige Form von Verträgen, bei der der Preis feststand, bevor mit der Planung begonnen wurde. Da könne man, wenn man die Kosten drücke, gute Gewinne machen. Das Zauberwort heißt garantierter Maximalpreis, sagte er und erhob sich, um einen Aufguss zu machen.
    Als wir uns nach dem ersten Gang ausruhten, sagte er, auch Sonja habe sich gut gehalten. Aber für ihn wäre sie trotzdem nichts gewesen, zu spröde, zu beherrscht. Was ich von Alice halte? Ich gab keine Antwort. Im Bett sei sie immer noch spitze, sagte Ferdi. Dann erzählte er von einer jungen Journalistin, die ihn kürzlich interviewt habe und mit der er nachher essen gegangen war. Und beim Dessert hat sie gesagt, was bringt das, wenn wir hier rumsitzen, komm mit zu mir und lass uns ficken. Er lachte schallend. So sind die jungen Frauen heute. Er hatte sich aufgesetzt und wippte mit dem Oberkörper vor und zurück wie ein Geisteskranker. Alles an ihm, seine Art zu reden, sich zu bewegen, hatte etwas Getriebenes, Ruheloses, das mir missfiel. Nach dem zweiten Saunagang sagte ich, ich hätte genug, wir sähen uns beim Abendessen.
    Ich ging nicht aufs Zimmer, sondern ins Freie. Ich stand in der Dunkelheit vor dem Hotel und rauchte einen Zigarillo und fragte mich, was mich von Ferdi unterschied. Auch ich war getrieben, vielleicht noch mehr als er. Er hatte mit der Journalistin geschlafen, als sei es nichts, die beiden hatten ein paar schöne Stunden miteinander verbracht, das war alles. No bad feelings, hatte Ferdi gesagt. Wenn jemand sich wie ein Schwein benommen hatte, dann war ich es. Und doch schien mir mein Verhältnis zu Iwona weniger verwerflich als Ferdis Seitensprung. Es war mir, als erhebe Iwonas Liebe und ihr Leiden auch mich und verleihe unserer Beziehung eine Ernsthaftigkeit, die Ferdis Untreue nicht hatte.
     
    Habt ihr mal wieder was von Rüdiger gehört?, fragte Ferdi beim Essen. Ich schüttelte den Kopf und war etwas erstaunt, als Sonja sagte, sie telefoniere gelegentlich mit ihm. Was macht er so? Er arbeite in einem Thinktank in der Schweiz, sagte Sonja, aber was er da genau mache, habe sie nicht verstanden. Irgendwelche Trendstudien über die Zukunft der Privatheit oder über Wohnformen von morgen. Das passt zu ihm, sagte Ferdi, nur nicht arbeiten.
    Als ich später mit Sonja im Bett lag, fragte ich sie, warum sie mir nie erzählt habe, dass sie mit Rüdiger Kontakt habe. Ich sei der Letzte, der eifersüchtig sein dürfe, sagte sie. Ich bin nicht eifersüchtig, ich finde es nur seltsam, schließlich ist er auch mein Freund. Ich hatte den Eindruck, du magst ihn nicht, sagte Sonja. Natürlich mag ich ihn. Rüdiger habe es nicht leicht gehabt, erzählte Sonja. Er habe sich in eine Kunststudentin aus der Schweiz verliebt. Vielleicht kannst du dich erinnern, die war damals auch bei der Silvesterparty. War das die Verrückte, die sich mit Brot beschäftigte? Keine Ahnung, sagte Sonja, ich habe nicht mit ihr geredet an dem Abend. Elsbeth, sagte ich, so hat sie geheißen.
    Rüdiger hatte Elsbeth auf seiner Südamerikareise kennengelernt und war eine Zeit lang mit ihr zusammen herumgereist und hatte sie dann mit nach München genommen. Sie hatte sich an der Kunstakademie beworben, war aber nicht angenommen worden und darum zurück in die Schweiz gegangen. Rüdiger folgte ihr und zog mit ihr in eine Wohngemeinschaft von Künstlern in einem Bauernhaus in der

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