Sieben Jahre
sieben Jahre auf Sie gewartet wie Jakob auf Rahel. Ich erinnerte mich nur vage an die Geschichte, aber ich wusste noch, dass Jakob nach sieben Jahren die falsche Frau bekommen hatte. Lea, sagte Hartmeier. Und dann musste er noch einmal sieben Jahre warten. Ich verstand nicht, was er damit sagen wollte. Ob sie ein Jahr auf Sie wartet oder sieben oder vierzehn Jahre, sagte er, es macht keinen Unterschied. Es ist wie die Liebe zum Erlöser, sie nimmt mit dem Warten nicht ab, im Gegenteil. Was Iwona empfindet, ist ihre Sache, sagte ich. Und Sie? Ich sagte, ich glaubte nicht, dass ihn das etwas anginge. Es sei mir vielleicht nicht bewusst, sagte Hartmeier, aber Iwona habe viele Opfer für mich gebracht. Sie handle gegen ihren Glauben, der ihr den außerehelichen Geschlechtsverkehr verbiete, schon gar mit einem Mann, der mit einer anderen verheiratet sei. Es möge schwer sein für mich, das zu verstehen, aber in gewissem Sinn habe Iwona ihr Seelenheil für mich geopfert. Sie ist ein freier Mensch, sagte ich. Aber der Herr sah, dass Lea weniger geliebt wurde, und öffnete ihren Mutterschoß, sagte Hartmeier, und sofort wusste ich, weshalb er mich hatte sprechen wollen. Er schwieg, und es war mir, als sehe ich in seinem Gesicht einen unterdrückten Triumph. Er schien darauf zu warten, dass ich etwas sagte. Ich kann schwer beschreiben, was ich empfand. Ich war schockiert, mein Puls raste, und ich bekam ein flaues Gefühl im Magen. Aber zugleich empfand ich eine große Gelassenheit und eine Art Erleichterung. Ich würde mit Sonja reden müssen, sie würde es nicht leichtnehmen, vielleicht würde sie mich verlassen, aber das alles schien unwichtig in diesem Moment.
Iwona ist schwanger, sagte Hartmeier. Ich weiß, sagte ich, den Triumph gönnte ich ihm nicht. Er schaute mich verdutzt an. Sie können nichts von ihr verlangen. Er sprach nicht weiter. Ich verlange nichts von ihr, sagte ich. Er sagte, es wäre eine Sünde. Es ist mir egal, ob es eine Sünde ist oder nicht, ich verlange nicht von ihr, dass sie das Kind abtreibt.
Hartmeier begleitete mich zu Iwona. Obwohl er kleiner war als ich, konnte ich ihm kaum folgen, so schnell ging er durch die Straßen. Die Kälte schien mir jetzt noch größer als vorher, vielleicht empfand ich sie nur stärker durch die Aufregung und meine Verunsicherung. Ich schlug den Mantelkragen hoch und lief hinter Hartmeier her. Vor dem Haus, in dem Iwona wohnte, blieb er stehen und sagte, er werde mich nicht nach oben begleiten. Er klingelte, und kurz darauf hörte ich ein Rauschen aus der Gegensprechanlage. Hartmeier beugte sich hinunter und sagte mit verschwörerischer Stimme, er ist da. Sofort war das Summen des Türöffners zu hören, so laut, dass ich zusammenzuckte. Hartmeier drückte die Tür auf und reichte mir die Hand und nickte mir dabei zu, als wolle er mir Mut machen.
Iwona erwartete mich mit einem einfältigen Lächeln. Sie sieht aus wie eine Braut, dachte ich. Wir setzten uns in die kleine Stube. Iwona hatte Tee gekocht und schenkte zwei Tassen ein. Ich nahm einen schnellen Schluck und verbrannte mir den Mund dabei. Hartmeier hat mir erzählt, du seiest schwanger, sagte ich. Sie nickte. Damit habe ich nicht gerechnet, sagte ich. Sie schaute mich erwartungsvoll an und ein wenig ängstlich. Ich sagte, ich sei mir bewusst, dass eine Abtreibung für sie nicht in Frage komme, und natürlich würde ich das Kind anerkennen und sie unterstützen, so gut ich könne. Aber es werde wohl nicht leicht für sie werden, das Kind allein großzuziehen. Ihr Gesicht nahm einen erschrockenen Ausdruck an. Sie musste allen Ernstes geglaubt haben, ich verließe Sonja für sie. Es gebe verschiedene Optionen, sagte ich, es wäre natürlich besser für das Kind, in einem intakten Umfeld aufzuwachsen und nicht bei ihr, immerhin sei sie illegal im Land. Ich würde mit meiner Frau sprechen, schließlich sei es ja auch mein Kind. Iwona schwieg und rührte ihren Tee nicht an. Ich sagte, sie solle es sich überlegen, es sei ja noch viel Zeit.
Die Idee war mir schon während des Gesprächs mit Hartmeier gekommen. Natürlich wäre es eine Zumutung für Sonja, das Kind meiner Geliebten aufzuziehen. Andererseits war sie eine vernünftige Frau, und die Lösung wäre für alle das Beste. Wir hatten schon ein paar Mal über die Möglichkeit einer Adoption gesprochen.
Ich ließ mir Zeit. Iwona war erst im vierten Monat schwanger, und es war immer noch möglich, dass sie das Kind verlieren und die ganze Aufregung umsonst
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