Sieben Jahre
gewesen sein würde. Ich besuchte sie weiter und schlief mit ihr und sah zu, wie ihr Bauch wuchs. Sie war noch schweigsamer als vorher und sprach weder über die Schwangerschaft noch über ihre Pläne, wenn das Kind geboren sein würde. Nur manchmal stöhnte sie und rieb sich das Kreuz, das sie zu schmerzen schien. Einmal, als ich mir in der Küche ein Glas Wasser holte, sah ich auf dem Tisch eine Ultraschallaufnahme, ein weißes gekrümmtes Wesen vor schwarzem Hintergrund, aber ich schaffte nicht, mir vorzustellen, dass dies mein Kind war.
Ich hatte das Gespräch mit Sonja immer wieder hinausgeschoben. Schließlich nahm ich mir vor, nach den Feiertagen mit ihr zu reden. Wir hatten Weihnachten bei ihren Eltern verbracht und fuhren danach für ein paar Tage in die Berge, um uns zu erholen. Ferdi und Alice hatten uns das Hotel empfohlen, eine burgartige Anlage in einem einsamen Tal in der Nähe von Garmisch. Sie würden ebenfalls für ein paar Tage heraufkommen, wir hatten uns lange nicht gesehen. Ich hatte den Eindruck, Sonja freue sich mehr auf das Wiedersehen als ich. Wir waren am Morgen noch einmal kurz ins Büro gegangen, um einige Dinge zu erledigen, und brachen später in München auf als geplant. Unterwegs rief mich Ferdi auf dem Mobiltelefon an. Ich reichte es Sonja, und sie sprach mit ihm. Sie lachte ein paar Mal und sagte, dann bis morgen. Die beiden kämen einen Tag später, sagte sie, Ferdi habe offenbar noch mehr zu tun als wir. Das ist mir auch recht, sagte ich.
Wir kamen kurz vor dem Abendessen an und hatten gerade noch Zeit, unser Zimmer zu beziehen, bevor wir den Gong hörten, mit dem das Essen angekündigt wurde. Im Speisesaal waren viele Familien mit Kindern in hübschen Kleidern, die aufrecht auf ihren Stühlen saßen und leise mit ihren Eltern redeten. Sonja hatte den Gesichtsausdruck, den ich oft bei ihr beobachtet hatte, wenn Kinder in der Nähe waren, eine Mischung aus Entzücken und leiser Trauer. Ihren letzten Eisprung hatte sie vor zwei Wochen gehabt, ich hatte im Kalender in der Küche den roten Kreis um das Datum bemerkt, aber ich war an jenem Abend später als geplant nach Hause gekommen, und Sonja hatte schon geschlafen. Ich hatte mir überlegt, ob ich sie wecken solle, aber dann hatte ich es bleibenlassen.
Ich fühlte mich vom ersten Moment an nicht recht wohl im Hotel. Sonja schien es zu gefallen. Es war ihre Gesellschaftsschicht, die sich hier traf, Leute, die ihren Reichtum demonstrativ verbargen und das Personal so jovial behandelten, dass es schon wieder herablassend wirkte. Alle schienen sie ein Spiel zu spielen und sich selbst und die anderen dabei zu beobachten. Man gab die gute Gesellschaft, die kultivierte Oberschicht, die nach dem Essen in den großen Saal zur Kammermusik eilte, als gebe es keine andere Möglichkeit, den Abend zu verbringen. Auch Sonja wollte sich das Konzert nicht entgehen lassen, wie sie sagte. Bitte nicht, sagte ich, ich muss an die frische Luft, sonst ersticke ich hier. Sie schaute mich an mit einem erschrockenen Blick, als habe sie für einen Moment in einen Abgrund geschaut, aber dann gab sie sofort nach und sagte, sie habe Kopfschmerzen, vielleicht wegen der Höhe, ein Spaziergang tue ihr bestimmt auch gut.
Draußen war es kalt, für die Nacht war Schnee angekündigt worden, aber noch war der Himmel klar, und die Sterne waren zu sehen und der abnehmende Mond. Sonja fing an, über ein Projekt zu reden, an dem wir arbeiteten. Wir sind in den Ferien, sagte ich, vergiss doch einmal die Arbeit. Ich hatte lange darüber nachgedacht, wie ich ihr die Sache beibringen könnte, jetzt sagte ich ganz einfach, ich bekomme ein Kind. Sonja reagierte erstaunlich gelassen. Sie musste so viele unterschiedliche Gefühle haben, dass keines überhand gewinnen konnte. Sie hatte geahnt, dass ich eine Geliebte hatte, die Tatsache schien sie weniger zu verletzen, als dass es Iwona war, die Polin, wie sie sie immer nur nannte. Ich war erstaunt, dass sie sofort denselben Gedanken hatte, den auch ich gehabt hatte. Und dass sie dieselben Worte benutzte, die ich Iwona gegenüber benutzt hatte. Schließlich ist es auch dein Kind.
Ich fragte, ob es kein Problem wäre für sie. Sie sagte, ihre einzige Bedingung sei, die Polin nicht kennenlernen zu müssen. Und wenn sie das Kind sehen will? Das ist deine Sache. Sie sagte, sie werde nach Hause fahren. Jetzt?, fragte ich. Ich kann nicht fahren, ich habe zu viel Wein getrunken. Ich nicht, sagte Sonja. Sie wolle ohnehin nicht,
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