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Sieben Jahre

Sieben Jahre

Titel: Sieben Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Stamm
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früher, desto besser. Ich würde sie vorläufig nicht mehr besuchen. Sie solle mich anrufen, wenn sie wisse, was sie wolle.
     
    Ich sagte Sonja nichts von Iwonas Unentschlossenheit. Ich wollte sie nicht beunruhigen und war mir sicher, Iwona würde schließlich ihr Einverständnis geben und alles würde gut enden. Sonja fing an, sich auf das Kind vorzubereiten mit ihrer üblichen Effizienz. Sie suchte nach einer Tagesstätte und las Erziehungsratgeber und erkundigte sich beim Jugendamt über den Verlauf einer Adoption. Wir richteten den kleinen Raum unter dem Dach ein, den Sonja von Anfang an als Kinderzimmer vorgesehen hatte. Wir kauften eine Wiege und einen Kinderwagen und Kleidung in neutralen Farben. Ich hatte vergessen, Iwona zu fragen, ob das Kind ein Mädchen oder ein Junge sei, und ich wollte sie nicht anrufen. Wir kauften uns ein Namenlexikon und suchten Namen aus. Wenn es ein Junge sein würde, sollte er Eric heißen, ein Mädchen würden wir Sophie taufen.
    Als Iwona sich Ende Februar noch immer nicht gemeldet hatte, rief ich Hartmeier an und sagte, ich wolle mich mit ihm treffen. Ich lud ihn zu uns nach Hause ein, in der Hoffnung, unsere Lebensumstände würden einen guten Eindruck auf ihn machen. Sonja sagte ich nur, Hartmeier sei ein Freund von Iwona, er wolle schauen, wie das Kind unterkomme.
    Er kam nach dem Abendessen. Ich machte ihm die Tür auf. Sonja stand hinter mir. Sie trug sonst meist Hosen, aber an dem Abend hatte sie ein schlichtes blaues Kleid angezogen, in dem sie sehr schön und ein wenig verletzlich aussah. Ich sah in Hartmeiers Augen, dass er beeindruckt war. Er wirkte befangen und bewegte sich unsicher und stotterte ein wenig, wenn er sprach. Er setzte sich, und für einen Moment schwiegen wir alle, als warteten wir auf etwas. Ich fragte Hartmeier, ob er etwas trinken wolle, und er bat um Wasser. Sonja verschwand in die Küche, und er schien erleichtert und erzählte hastig, Iwona habe vorzeitige Wehen gehabt und müsse bis zur Geburt liegen. Aber jemand von der Kirchengemeinde besuche sie regelmäßig und helfe ihr ein wenig im Haushalt. Ich sagte, ich hätte Iwona nicht mehr besucht, um sie nicht in ihrer Entscheidung zu beeinflussen. Sonja war wieder hereingekommen mit einer Wasserkaraffe und drei Gläsern. Außerdem sei es wohl für uns beide besser, wenn wir uns nicht mehr sähen, sagte ich. Es wäre eine Zumutung für meine Frau. Sonja hatte die Gläser gefüllt und war hinter mir stehen geblieben. Ich drehte mich zu ihr um und nahm ihre Hand in meine. Sie hatte ein gequältes Lächeln aufgesetzt. Hartmeier nickte mit ernstem Gesicht.
    Hartmeier blieb wohl zwei Stunden. Am Anfang war er eher abweisend gewesen, aber mit der Zeit taute er auf, was wohl vor allem an Sonja lag. Ich hatte ihr gesagt, wir müssten noch ein paar organisatorische Dinge regeln. Als sie merkte, dass noch nichts entschieden war, warf sie mir einen erschrockenen Blick zu, ließ sich aber sonst nichts anmerken.
     
    Ich hatte die Tür hinter Hartmeier geschlossen und mich zu Sonja umgedreht. Ich wollte sie umarmen, aber sie machte einen Schritt zurück und schaute mich wütend an. Und was hättest du getan, wenn er nein gesagt hätte? Ich sagte, ich sei mir sicher gewesen, wir bekämen das Kind. Sie hat sich noch nicht entschieden, sagte Sonja. Sie hört auf ihn, sagte ich. Ich wollte dich nicht aufregen. Da schrie Sonja mich an, zum ersten Mal, seit wir uns kannten, ich solle endlich aufhören, sie zu behandeln wie eine Idiotin. Sofort beruhigte sie sich wieder. Wenn ich überhaupt noch an unsere Beziehung glaubte, sagte sie mit ruhigerer Stimme, dann müsse ich ehrlich zu ihr sein. Auch wenn es schwer sei. Sie sei kein Kind, sie könne die Wahrheit ertragen, aber sie könne es nicht ertragen, dass ich unehrlich sei zu ihr. Ich sagte, ich verspreche es. Dann machten wir eine Flasche Prosecco auf und tranken auf den guten Verlauf des Gesprächs mit Hartmeier. Er hatte versprochen, sich bei Iwona für uns einzusetzen. Wir hatten viel von intakten Familien geredet und schließlich auch von Geld. Ich hatte ihm sogar den letzten Jahresabschluss unseres Büros gezeigt und Bilder von Gebäuden, die wir entworfen und ausgeführt hatten. Wir hatten über die Baubranche gesprochen, und ich hatte ihm in Aussicht gestellt, bei einem nächsten Projekt die Firma seines Sohnes offerieren zu lassen.
    Und was geschieht mit dem Kind, wenn Sie sich trennen?, hatte er gefragt. Ich habe Alexander verziehen, sagte Sonja, ich bin

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