Sieben Jahre
sicher, so etwas kommt nicht wieder vor. Ich nickte und war selbst fest davon überzeugt, trotzdem hatte ich das Gefühl, Sonja und ich spielten Theater. Hartmeier meinte, wir seien alle nicht frei von Sünde, und ich fragte mich, welcher Sünden er sich schuldig fühlte.
Das Wochenende verbrachten wir in einer Mischung aus Euphorie und Angst. Am Montag rief Hartmeier im Büro an und sagte, Iwona habe sich bereit erklärt, das Kind zur Adoption freizugeben. Und sie besteht nicht auf einem Besuchsrecht?, fragte ich. Das habe ich ihr ausreden können, sagte er, am Anfang ist es bestimmt schwer für sie, aber auf Dauer ist es besser so, vor allem für das Kind. Am Klang seiner Stimme hörte ich, dass er auf meiner Seite war, und obwohl es mir zugutekam, ärgerte es mich. Er hatte sich von unserer gutbürgerlichen Existenz blenden lassen und Iwona, die Putzfrau, die illegale Einwanderin, verraten.
Am Abend feierten wir. Wir aßen in einem teuren Restaurant, in das wir sonst nur mit Kunden gingen. Was ich gesagt habe, meine ich ernst, sagte ich. Sonja schaute mich fragend an. Dass ich dir treu sein will. Sonja nickte ungeduldig, als wolle sie es nicht hören. Seit wir selbst ein Kind kriegen, sehe ich überall Kinder, sagte sie. Mir ist, als sei die ganze Stadt voll von Müttern mit Kinderwagen und Babys. Das ist normal, sagte ich. Übrigens, es ist ein Mädchen.
Jetzt erst sprachen wir mit unseren Eltern. Wir sagten ihnen, dass wir ein Kind adoptieren würden, aber nicht, dass es mein Kind war. Sonst erzählten wir niemandem von der Adoption. Iwona hatte nach der Geburt acht Wochen Zeit, um sich die Sache noch einmal zu überlegen, und bevor wir nicht ganz sicher waren, ob wir das Kind würden behalten können, wollten wir niemanden einweihen.
Sophie kam am siebzehnten April zur Welt. Kurz vorher hatte Hartmeier mich angerufen und mir erklärt, wie Iwona sich die Übergabe vorstellte. Sie wollte, dass ich bei der Geburt dabei sei, dass ich das Kind wasche und es ihr danach noch einmal gebe, damit sie es halten könne. Dann werde sie mir, und zwar nur mir allein, das Kind überreichen und danach wolle sie es nicht mehr sehen. Sie hatte einen Strampler gekauft, den das Kind am Anfang tragen sollte, und ein Kettchen mit einem goldenen Kreuz. Ich fand das ganze Prozedere theatralisch und makaber, aber ich wusste nicht, wie man es besser machen könnte, und sagte zu. Ich fragte, wer den Krankenhausaufenthalt bezahle und ob Iwona als Illegale nicht Probleme bekomme mit der Ausländerbehörde. Hartmeier sagte, sie werde für mindestens drei Monate nach der Geburt geduldet, danach werde man weitersehen. Und wer die Kosten übernehme, sei noch nicht klar, vielleicht das Sozialamt. Ich sagte, ich würde selbstverständlich dafür aufkommen.
Am Tag der Geburt erhielt ich einen Anruf aus dem Krankenhaus, aber alles ging so schnell, dass Sophie schon auf der Welt war, als ich ankam. Sie war gewaschen und weggebracht worden. Iwona lag in ihrem Zimmer. Ihre größte Sorge schien es zu sein, dass ihr Übergaberitual durcheinandergeraten war. Die Schwester, die mich ins Zimmer gebracht hatte, weigerte sich, uns das Kind zu bringen. Es müsse sich von der Geburt erholen, sagte sie und sah mich dabei feindselig an. Ich sagte, ich könne ja später wiederkommen.
Am Nachmittag war ich zurück im Krankenhaus. Das Baby lag in einem kleinen Wagen mit Plexiglasscheiben, der neben Iwonas Bett stand. Iwona schaute es an mit einem Blick, den ich nicht deuten konnte. Ich wollte das Baby aus dem Wagen nehmen, aber sie sagte, nein, ich müsse es aus ihren Armen empfangen. Sie stellte die Rückenlehne ihres Bettes höher und klingelte. Diesmal kam eine andere Schwester, die sehr herzlich war und Iwona auf ihre Bitte das Baby in den Arm legte. Iwona wartete, bis die Schwester wieder verschwunden war. Dann reichte sie mir Sophie ohne ein Wort.
Es war ein seltsames Gefühl, mein Kind zum ersten Mal in den Armen zu halten. Sophie war unglaublich leicht. Ihr Gesicht war gerötet und hatte etwas von dem eines Vogels. Ich dachte kurz an Iwonas Aussehen und daran, dass Sophie ja auch ihre Gene hatte, aber dann schämte ich mich. Außerdem sind alle Babys hässlich, dachte ich. Überhaupt kam mir Sophie vom ersten Moment an wie ein völlig unabhängiger Mensch vor, ein Wesen, dessen biologische Eltern ich und Iwona waren, aber das mit uns sonst wenig zu tun hatte. Mir schien, ich sollte etwas sagen. Ich werde mich gut um sie kümmern, sagte ich. Ich
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