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Sieben Leben

Sieben Leben

Titel: Sieben Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Aschberg
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ja
nicht zum Aushalten. „Also was ist jetzt?“, knurrte ich böse.
    „Lassen Sie den Mann doch mal ausreden“, intervenierte
Vogelbauer. „Sie sehen doch, daß er sich in seiner Rolle nicht wohlfühlt.“
    „Hm.“ Ich fand, dass Vogelbauer zweifelhafte Prioritäten
setzte, wollte ihn aber nicht auch noch gegen mich aufbringen.
    Unser Wärter nutze die Gelegenheit. „Ich habe gleich gewußt,
daß dieser Urlaub nichts für mich ist“, flüsterte er, dankbar, sein Herz
ausschütten zu können.
    „Wir sind Anfang des Jahr privatisiert worden. Wissen Sie,
was das heißt?“
    „Was?“
    „Neue Strukturen, neue Prozesse. Alles neu. Unser altes Versorgungsamt
gibt’s nicht mehr. Ich war nämlich im Versorgungsamt. Verwaltungsinspektor.
Den gibt’s aber auch nicht mehr. Sie nennen mich jetzt Supply Manager .“
    „Glückwunsch“, sagte Vogelbauer.
    „Von wegen! Gut, den Beamtenstatus können sie einem nicht mehr
nehmen. Aber trotzdem. Nichts ist mehr so, wie es sein sollte. Mein Chef heißt
jetzt Supervising Executive President. Oder so ähnlich.“
    „Und der hat Sie hierher geschickt?“
    „Ja.“
    „Ja???“, echoten wir beide ungläubig.
    „Es ist wegen meiner Beförderung. Nicht alle in meiner
Besoldungsstufe sind ja Supply Manager geworden. Da stünde mir jetzt ein
Persönlichkeitstraining zu, hat er gesagt. Zumindest würde ich auf der Liste
stehen. Frischer Wind, hat er gesagt. Und natürlich die Vorbereitung auf die
neue Aufgabe. Verantwortung übernehmen. Blitzschnelle Entscheidungen treffen.
Diese Dinge eben.“
    „Aber ich weiß nicht“, er zuckte traurig mit den Schultern.
„Blitzschnelle Entscheidungen, wofür soll das gut sein?! Ein
Beschaffungsvorgang dauert bei uns fast zwei Monate. Wenn’s schnell geht! Mir
wächst das alles einfach über den Kopf.“
    Ich sah hinaus auf die Wellen. Der Mann hatte Probleme,
keine Frage. Ich beobachtete einen Wassertropfen, der langsam das Ruderblatt hinab
lief, bis er an der Kante angekommen war. Dort harrte er einen Augenblick aus,
wurde größer und schwerer und ließ sich schließlich majestätisch ins Meer
zurückgleiten, aus dem er gekommen war und zu dem er gehörte.
    Ich musterte auf den Ex-Verwaltungsinspektor. Ich musterte
meine Handketten. Ein weiterer Tropfen vereinigte sich mit seinen
Salzwasser-Kollegen. Diese Tropfen kannten keine Hierarchie. Und trotzdem
wußten sie genau, wohin sie gehörten.
    „Kann es sein, daß ich dieses Training noch nicht richtig
verstanden habe? Warum sind wir angekettet und er nicht?“ Ich verstand das
nicht.
    Vogelbauer zuckte mit den Schultern. „Er macht halt ein
anderes Programm mit. Es ist nicht ungewöhnlich, mehrere Kurse gleichzeitig
anzubieten.“
    „Mehrere Kurse gleichzeitig?“
    „Ja, spart den Veranstaltern eine Menge Geld. Wir härten
hier auf den Ruderbänken unsere Persönlichkeit ab. Er hingegen macht einen
Executive-Urlaub. Kann mal so richtig auf den Putz hauen. Seine
Führungspersönlichkeit schärfen.“
    „Mit einem Holzknüppel?“
    „Um die Urinstinkte freizusetzen. Wiederbelebung des
archaisches Rollenverständnisses. Gut für Hierachiebildung und außerdem sehr
beliebt als kleines Incentive für Führungskräfte, die ihre Talente mal so
richtig ausleben wollen. Geht ja im Büro nicht immer so, wie man vielleicht
möchte.“
    „Aha“.
    Etwas machte ‚Klick‘. Incentive .
Da war es wieder. Das Sieger-Incentive. Plötzlich konnte ich mich über die
Cocktails hinweg an die fehlenden Teile des gestrigen Abends erinnern. Ich
wußte jetzt, was schiefgelaufen war. Es war der Executive-Kurs, den mein Chef
mit seinem Gutschein für mich im Sinn gehabt hatte, nicht der Survival-Kurs. Wo
ich doch meine Toughness das ganze Jahr über so eindrucksvoll unter Beweis
gestellt hatte bei unserer Kundschaft. Da wollte er mir eine kleine Freude
machen.
    Nur hatte ich ein paar Cocktails zuviel erwischt. Und für
die Leute an Bord sah ich dann wohl eher nach Abhärtungstraining aus, wie ich
so halb bewußtlos hier ankam. Ich wußte jetzt auch wieder, wie froh der Fahrer
vom Chef gewesen war, dass ich ihm nicht ins Auto...! Der hatte mich so schnell
wie möglich loswerden wollen und sich nicht mit langen Erklärungen aufgehalten,
was es mit mir auf sich hatte. Er hatte mich am Hafen abgesetzt und damit war
der Fall für ihn erledigt.
      Ich schaute den
frisch gebackenen Supply Manager mit meinem besten Verkäuferblick an.
Schließlich war ich ein Sales Champion. Er stand immer noch

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