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Sieben Leben

Sieben Leben

Titel: Sieben Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Aschberg
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viele Stationen hinter mir, dass
es gut und gerne für mehrere Lebensläufe gereicht hätte.
    Was hatte ich nicht schon für Jobs ausprobiert in meinem
Leben. Bis auf Schriftsteller eigentlich alles. Was witzig war, weil ich mir
immer fest vorgenommen hatte, eines Tages als erfolgreicher Autor meinen
Lebensunterhalt zu bestreiten. Außerdem stimmte es nicht. Es gab auch andere
Jobs, mit denen ich trotz meiner beruflichen Flexibilität bislang noch nicht in
Kontakt gekommen war. Ich konnte mich zum Beispiel nicht erinnern, dass Schiffe
schon jemals eine Rolle in meinem Berufsleben gespielt hätten.
    Jetzt saß ich auf einem fest und ruderte, was das Zeug
hielt.
    Normalerweise, also wenn ich nicht gerade als in Ketten
gelegt war, arbeitete ich im Außendienst einer großen Versicherung. Für meine
Verhältnisse war ich schon eine kleine Ewigkeit bei der Firma beschäftigt.
Eingestiegen war ich im Innendienst. Betriebliche Altersvorsorge. Das klingt
nach einem wenig spektakulären Job, und genau deswegen hatte ich ihn damals
genommen. Ich wollte Ruhe und Sicherheit. Seßhaft werden.
    Jetzt saß ich hier angekettet auf so einer Art römischen Galeere.
    Das Boot war aus Holz, vielleicht zwanzig Meter lang. Bug
und Heck waren steil nach oben gezogen und der Steven ringelte sich achtern zu
einer kleinen Schlange. Das Ganze sah ein bißchen so aus, wie bei Wicki und den
starken Männern, eine weitere Reminiszenz an meine kulturelle Vielseitigkeit
schon seit frühester Jugend. Allerdings fehlte vorne der Drachenkopf, und ich
dachte, der wäre für Wikingerschiffe obligatorisch. Deswegen tippte ich auf
römisch. Aber wer konnte das schon so genau sagen.
    Auf jeden Fall gab es auf jeder Seite ein gutes Dutzend
Ruder. Sie wurden von zwei nebeneinandersitzenden Männern bedient. Alle in
Ketten.
    Das Boot hatte in der Mitte eine kleine Kajüte,
wahrscheinlich für den Chef, und einen Mast, an dem bei gutem Wind ein Rahsegel
gesetzt werden konnte. Im Heck gab es ein kleines Steuerhäuschen und zwei
Steuerleute bedienten ein altertümliches Seitenruder. Neben ihnen schlug der
Duck Hunter die Trommel, als hinge davon unser aller Leben ab. Ich hoffte
inständig, dass dem nicht so war.
    Weitere Einzelheiten meines aktuellen Lebens poppten mir ins
Gedächtnis zurück. Ich war frisch gebackener Sales Champion. Der glückliche
Sieger im Kampf um Abschlüsse und Umsätze im hart umkämpften Versicherungsmarkt.
Ein aufreibender Job, aber wo ging es schon ruhig und gemütlich zu? Selbst im
Innendienst, wo ich mich eine Weile in Ruhe auf die nächste Herausforderung
hatte vorbereiten wollen, hatte man für sein Geld arbeiten müssen. Und nicht zu
knapp. Das schnelle Geld mit wenig Einsatz – am Ende war das nur ein Mythos.
Ich hatte einiges probiert, um diesem Ideal möglichst nahe zu kommen, aber wenn
ich ehrlich war, mit mäßigem Erfolg. Ich hatte mich im Zweifel bislang noch immer
für’s Geld entschieden, oder für das, was es letztlich symbolisierte. In meinem
Falle Unabhängigkeit. Ich war kein Machtmensch und meine Grundbedürfnisse waren
schon lange befriedigt. Die materiellen zumindest. Aber zu wissen, dass ich
einen Job im Zweifel auch hinschmeißen konnte, weil ich nicht auf Gedeih und
Verderb darauf angewiesen war, das war mir viel wert.
    Interessanterweise führt das dazu, dass ich in genau diesen
Job dann sogar noch mehr Zeit steckte, als ich vielleicht nötig gewesen wäre.
Freiheiten zu haben, und sie nicht zu
nutzen, war auch eine Form von Freiheit.
    Möglicherweise war es seit der Vertreibung aus dem Paradies aber
auch bloß einfach ein für alle Mal mit der Muße vorbei, und seitdem mußten wir
unseren Lebensunterhalt mühsam im Schweiße unseres Angesichts verdienen. Egal
wie.
    Ich schmunzelte. In jedem guten Schriftsteller steckt immer
auch ein Philosoph. Sagte Nietzsche. Oder war es…
    „Autsch!“
    Mein Nachbar riß mich mit einem heftigen Ruck an der Kette
aus den Gedanken. Ich mußte beim Philosophieren aus dem Rhythmus gekommen sein,
und alleine konnte Vogelbauer das lange Ruder nicht im Takt halten.
    „Sie müssen aufpassen. Das wird hier nicht gern…“ Aber da
war es schon passiert, und der verwirrte Gnom mit dem Holzknüppel tauchte
wieder vor mir auf. Offensichtlich war es sein Job, hier für Disziplin zu
sorgen.
    Erregt fuchtelte er mir mit dem Knüppel vor dem Gesicht
herum. Philosophieren hatte seine Risiken und Nebenwirkungen. Das hatte schon
Sokrates erfahren müssen, als er den Schierlingsbecher

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