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Sieben Phantastische Geschichten

Sieben Phantastische Geschichten

Titel: Sieben Phantastische Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. G. Ballard
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hatte, die Konstruktion einer Welt, die völlig aus den Materialien seines eigenen Bewußtseins bestand.

    Während der nächsten Tage wurde Pangborns Seelenfrieden von seinem wachsenden Wissen um den Eindringling gestört, der sich ins Solarium eingeschlichen hatte. Zunächst schrieb er seine Befürchtungen der Ankunft Vera Tilleys zu. Die stark riechenden Kosmetika, die von der jungen Frau benutzt wurden, hatten eine unterdrückte Erinnerung an Mutter und Schwester sowie an seine kurze und gescheiterte Ehe freigelegt. Aber wieder von neuem lehnte er sich im Stuhl zurück und analysierte die noch gewaltigeren Vergrößerungen des an die Badezimmerfliesen gepreßten Gesichts der Schauspielerin, und er spürte die Anwesenheit eines ungebetenen Besuchers irgendwo hinter sich. Wenn der Ton leise gedreht war, konnte er gelegentlich ein Atmen vernehmen, ja sogar ein Seufzen, wenn der geheimnisvolle Eindringling seiner heimlichen Wacht müde zu sein schien. Ab und zu hörte Pangborn ein metallisches Knirschen hinter sich, die Spannung eines Lederpanzers, und bemerkte den schwachen Geruch eines anderen Körpers.
    Einmal begann Pangborn, ohne sich um die Fernsehschirme zu kümmern, eine sorgfältige Durchsuchung des Solariums, angefangen vom Flur und den Vorratsschränken. Er zog die Laden und Kassetten heraus, die Fächer voller Anzüge, die er seit zehn Jahren nicht mehr getragen hatte. Zufriedengestellt, daß der Flur kein Versteck bot, fuhr er mit dem Rollstuhl ins Badezimmer und in die Küche, durchsuchte das Arzneischränkchen und die Dusche, den engen Raum hinter dem Kühlschrank und dem Herd. Ihm fiel ein, daß der Eindringling ein kleines Tier sein konnte, das sich während des Besuchs einer der Reinigungsfrauen ins Solarium eingeschlichen haben mochte. Als er jedoch bewegungslos in dem lichterfüllten Schweigen saß, konnte er das gleichmäßige Atmen eines Menschen vernehmen.
    Als Vera Tilley zum zweiten Mal kam, wartete Pangborn an der Tür des Solariums. Er hoffte einen Blick auf jemanden zu erhaschen, der sich draußen herumtrieb, vielleicht ein Komplize des Eindringlings. Er vermutete bereits, daß es sich um die Mitglieder einer Bande handelte, welche die Einschaltziffern des Fernsehens manipulieren wollten.
    »Sie stehen auf meinem Fuß, Mr. Pangborn! Was ist los? Wollen Sie heute nicht, daß ich hereinkomme?« Vera drückte die Tür gegen den Rollstuhl und blickte auf Pangborn hinunter. »Sie sind ganz aufgeregt.«
    Pangborn rollte in die Mitte des Solariums zurück. Das Make-up der jungen Frau wirkte weniger bizarr, als beabsichtigte sie, ihm mehr von sich zu zeigen. Da ihm plötzlich auffiel, daß er nackt war, spürte er ein unbehagliches Kribbeln auf der Haut.
    »Haben Sie draußen jemanden gesehen? Jemand, der im Auto wartet und die Tür beobachtet?«
    »Das haben Sie mich schon letzte Woche gefragt.« Sie ignorierte seinen Erregungszustand, öffnete ihren Werkzeugkasten und begann die Teile des Staubsaugers zusammenzustecken. »Soll jemand kommen?«
    »Nein!« Der Gedanke entsetzte Pangborn. Selbst die Anwesenheit dieser jungen Frau erschöpfte ihn. Ihm fielen die Atemgeräusche hinter dem Stuhl ein. Er riß sich zusammen und sagte: »Verschieben Sie das Saubermachen auf später und sehen Sie sich die Antennen an. Ich glaube, eines der Geräte empfängt einen merkwürdigen Tonkanal – vielleicht aus dem Nachbarstudio.«
    Pangborn wartete, während sie sich verbissen mit den Geräten beschäftigte. Später folgte er ihr in seinem Rollstuhl durch das Solarium, als sie das Badezimmer und die Küche saubermachte. Er spähte zwischen ihren Beinen in die Duschkabine und den Müllschlucker und überzeugte sich davon, daß sich dort niemand versteckte.
    »Sie sind ganz allein, Mr. Pangborn. Nur Sie und die Fernsehschirme.« Vera schloß ihren Koffer und betrachtete ihn dabei besorgt. »Waren Sie je im Zoo, Mr. Pangborn?«
    »Was –? Es gibt Programme vom Leben in freier Wildbahn, die ich mir manchmal ansehe.« Pangborn wartete ungeduldig darauf, daß sie ging, froh, weiterarbeiten zu können. Als er das Dutzend Fernsehschirme beobachtete, die das Mädchen auf Nadelschärfe eingestellt hatte, war er plötzlich überzeugt, daß die Idee eines Eindringlings eine Wahnvorstellung war, ausgelöst durch die verwirrende Anwesenheit dieser jungen Frau.
    Nur wenige Minuten, nachdem sie gegangen war, hörte Pangborn jedoch wieder die Geräusche des Eindringlings hinter sich, das Geräusch eines atmenden Mannes, der

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