Sieben Phantastische Geschichten
atemberaubend, daß sie beinahe den scharfsinnigen Witz des ganzen Unternehmens verbargen. Ich dachte bereits an den Eindruck, den dieses lebensgroße Abbild ihrer selbst auf die Ehefrauen meiner Freunde machen würde, wenn ich sie ihnen erstmals vorstellte.
Hinter mir wurde ein Vorhang zurückgezogen. Der Ladeninhaber, ein gewitzter junger Schwuler, kam mit einer weißen Katze auf dem Arm herein und streckte das Kinn beim Geräusch meines erfreuten Lachens empor. Ich hatte bereits mein Scheckheft gezogen und meine Unterschrift mit einem Schwung hingesetzt, der des Anlasses würdig war.
So trug ich denn Serena zum Taxi und führte sie heim, damit sie bei mir wohne. Wenn ich an den ersten Sommer zurückdenke, den wir zusammen verbrachten, erinnere ich mich daran als eine Zeit ständiger guter Laune, in der beinahe jeder Aspekt meines Lebens durch Serenas Anwesenheit bereichert wurde. Sittsam und unaufdringlich, verlieh sie allem um mich herum den angenehmsten ironischen Sinn. Wenn sie, während ich las, am Kamin in meinem Arbeitszimmer saß oder wie die Herrin des Hauses am Tischende thronte, erhellten ihr sanftes Lächeln und ihr heiterer Blick die Atmosphäre.
Nicht einer unter meinen Freunden, der sich nicht durch die Illusion täuschen ließ, und alle sagten mir Schmeicheleien, daß mir solch eine Überraschung geglückt war. Ihre Frauen begegneten Serena natürlich mit Argwohn und glaubten augenscheinlich, daß sie Teil eines unreifen oder sexistischen Streiches war. Ich verzog jedoch keine Miene, und innerhalb weniger Monate wurde ihre Anwesenheit in meinem Haus von allen für selbstverständlich genommen.
Bis zum Herbst war sie wirklich so sehr zu einem Bestandteil meines Lebens geworden, daß ich sie oft gar nicht bemerkte. Bald nach ihrer Ankunft hatte ich den schweren Ständer aus Teakholz weggeworfen und durch einen kleinen vergoldeten Stuhl ersetzt, auf dem ich sie bequem von Zimmer zu Zimmer tragen konnte. Serena war bemerkenswert leicht. Ihr Erfinder – dieses unbekannte Genie der Puppenmacherkunst – hatte eindeutig eine beträchtliche Stütze eingebaut, denn ihre Haltung verän derte sich so wenig wie ihr Gesichtsausdruck. Nirgends gab es einen Hinweis auf den Zeitpunkt oder den Ort der Herstellung, aber nach den abgenutzten Lacklederschuhen zu schließen, die manchmal unter dem Brokatkleid hervorlugten, war sie vor rund zwanzig Jahren zusammengebaut worden, vielleicht als Doppelgängerin einer Schauspielerin in den glanzvollen Tagen der Filmindustrie der Nachkriegszeit. Bis ich zum Laden zurückkehrte, um mich nach den früheren Besitzern zu erkundigen, war bereits das ganze World’s End geschliffen worden.
Eines Sonntagabends im November erfuhr ich mehr über Serena Cockayne. Nachdem ich den ganzen Nachmittag im Arbeitszimmer beschäftigt gewesen war, schaute ich vom Schreibtisch auf und sah sie in der Ecke sitzen, den Rücken mir zugewandt. Durch ein berufliches Problem abgelenkt, hatte ich sie dort nach dem Mittagessen sitzen lassen, ohne an sie zu denken, und es war etwas Melancholisches an ihren runden Schultern und dem geneigten Kopf, sie wirkte beinahe, als wäre sie in Ungnade gefallen.
Als ich sie zu mir drehte, bemerkte ich ein kleines Mal an ihrer linken Schulter, vielleicht einen Mörtelfleck von der Decke. Ich versuchte ihn abzubürsten, aber die Verfärbung blieb. Es kam mir die Idee, daß die synthetische Haut, die möglicherweise aus einem frühen experimentellen Kunststoff bestand, sich zu zersetzen begonnen hatte. Ich drehte die Tischlampe an und untersuchte Serenas Schultern eingehend. Vor dem dunklen Hintergrund des Arbeitszimmers gab der flaumartige Heiligenschein, der Serenas Haut bedeckte, meiner Bewunderung für das Genie ihres Schöpfers recht. Hier und da verwurzelte eine kaum feststellbare Unebenheit, der kleinste Sprenkel, der eine Kapillaröffnung andeutete, die Illusion im festesten Realismus. Ich hatte mir immer eingebildet, daß sich die ses Meisterwerk der Fleischimitation nicht weiter als zwei oder drei Zoll unter die Schulterlinie ihres Kleides erstreckte, und daß der übrige Körper Serenas aus Holz und Papiermaché bestand.
Als ich so auf die knochigen Flächen ihrer Schulterblätter, auf die keuschen Rundungen ihrer wohlverhüllten Brüste hinunterschaute, gab ich einem plötzlichen und ohne jede Lüsternheit auftretenden Drang nach. Hinter ihr stehend, griff ich nach dem silbernen Reißverschluß und zog ihn mit einer einzigen Bewegung bis zu Serenas
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