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Sieben Siegel 00 - Jenseits des Jahrtausends

Sieben Siegel 00 - Jenseits des Jahrtausends

Titel: Sieben Siegel 00 - Jenseits des Jahrtausends Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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um die Tafel herum, blickte von einer Hexe zur anderen und blieb schließlich hinter einer von ihnen stehen. Langsam legte er ihr von hinten beide Hände auf die Schultern.
    »Ich hörte, du lachst über mich«, sagte er zu ihr. Seine Stimme klang gefährlich leise und lauernd.
    »Ich … lache?«, stammelte die Hexe verwundert. »Über Euch, Herr?« Alle spürten, dass sie Angst vor dem Hexenmeister hatte.
    »So trug man es mir zu«, log Abakus kühl. Er wusste, dass die Frau gar nicht über ihn gelacht hatte – er wusste über vieles Bescheid, von dem seine Untergebenen nichts ahnten –, und doch sah er sich genötigt, ein Exempel zu statuieren. Er musste ihnen zeigen, dass mit ihm nicht zu spaßen war.
    »Aber, Herr –«, begann die Hexe, brachte den Satz jedoch nicht zu Ende. Abakus hob seine Arme. Ein grelles Blitzen schoss aus den Händen des Hexenmeisters, legte sich um den Körper der Frau – und verwandelte sie innerhalb eines Augenblicks in ein rußiges Gerippe. Klappernd und scheppernd brachen die Knochen in sich zusammen. Auf dem Stuhl blieb nur ein Haufen dunkler Gebeine zurück. Obenauf lag der blanke Schädel der Hexe.
    Die sechs übrigen Frauen schrien entgeistert auf.
    »Schweigt!«, brüllte Abakus in die Runde.
    Sofort setzte Ruhe ein. Angstvolle Blicke trafen erst ihn, dann die Knochen der Toten.
    »So wird es jedem ergehen, der mir widerspricht«, rief Abakus lautstark. Seine Worte hallten von den Steinwänden wider. Und leiser, beinahe sanft, setzte er hinzu: »Ich hoffe, meine Botschaft bleibt euch in Erinnerung!«
    Die sechs Hexen schluckten schwer, dann nickten sie der Reihe nach.
    Abakus lächelte zufrieden, dann hob er den Knochenschädel der toten Hexe mit beiden Händen hoch über seinen Kopf.
    »Hiermit«, rief er aus, »verkünde ich die Gründung unseres Bundes – und die baldige Unterwerfung der Welt. Ein Hoch dem Arkanum!«
    »Ein Hoch dem Arkanum!«, wiederholten die Hexen. Sie erholten sich rasch von ihrem Schrecken, schließlich gehörten Mord und Elend zu ihrem Alltag. Wilde Euphorie machte sich breit.
    » Ein Hoch dem Arkanum! «
    Abakus lachte. Dann ließ er den Totenschädel zwischen seinen Händen zerplatzen und die Splitter als Schwarm schwarzer Schmetterlinge zur Hallendecke aufsteigen.
     

Der Teufelsprediger
    Fast vier Wochen vergingen, ehe Dea einen Vorgeschmack auf das erhielt, was ihr an der Seite Gotens noch bevorstehen sollte.
    Vier Wochen – früher hätte ihr das nicht das Geringste bedeutet. In Giebelstein hatte es keine Kalender gegeben; man fand sie lediglich in Klöstern und an Königshöfen. Durchreisende Mönche und andere heilige Männer verkündeten den Dörflern, in welchem Jahr und welchem Mond die Welt sich gerade befand. Den meisten Giebelsteinern war das vollkommen gleichgültig, sie teilten ihr Dasein nach guten und schlechten Ernten ein. Erst als bekannt wurde, dass das Jahr 999 nach Christi Geburt angebrochen sei, waren die Ersten hellhörig geworden und hatten ein vages Interesse an dem rätselhaften Ding namens »Kalender« entwickelt. Doch selbst da war niemals von Wochen die Rede gewesen oder gar von den Namen der einzelnen Tage. All das lernte Dea erst von Goten. Er gab sich große Mühe, sie zu Gelehrsamkeit und Wissbegier zu erziehen, und sie musste sich eingestehen, dass ihr das Lernen bei ihm Spaß machte. Sie hörte von so vielem, das ihr vorher fremd gewesen war – so viele Namen, Länder und wundersame Wörter. Und je mehr er ihr erklärte, desto neugieriger wurde sie.
    In diesen ersten vier Wochen hatte sie mehr über die großen Zusammenhänge der Welt erfahren als in all den zwölf Jahren zuvor. Dabei war sie ziemlich sicher, dass ihre Mutter – Dea nannte sie noch immer so und würde es wohl dabei belassen – ebenfalls über vieles Bescheid wusste. Das meiste aber hatte sie vor Dea verheimlicht, wohl aus Furcht, das Mädchen könne wie sie selbst in den Ruf einer Hexe geraten. Dabei war Deas Mutter doch nur klüger gewesen als all die anderen Dorfbewohner.
    Am Ende der vierten Woche, inmitten heftiger Schneefälle, erreichten Dea und Goten eine Stadt. Es war die größte Ansiedlung, die Dea je gesehen hatte. Zuvor war sie nie aus Giebelstein herausgekommen, und sie hatte sich nicht vorstellen können, dass es Orte gab, an denen mehr als dreißig oder vierzig Hütten standen.
    Dies aber war eine Stadt mit großen Häusern aus Stein, hohen, zinnenbewehrten Mauern und mit Türmen, auf denen Wimpel und Fahnen flatterten. Auf

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