Sieben Siegel 03 - Die Katakomben des Damiano
gleichzeitig, am Kadaver ihres Artgenossen zu ziehen und zu zerren, so, als wollten sie ihn aufwecken. Sofort sprang der tödliche Strom auf sie über. Der Gestank wurde unerträglich.
Eilig wandten die Freunde ihre Blicke von den qualmenden Monsterkörpern ab. Keines der Wesen hatte überlebt.
»Wir müssen Chris suchen!«, rief Lisa. Bevor irgendwer sie aufhalten konnte, sprang sie schon aus den Büschen, überquerte den Weg und lief zu der Stelle, an der Chris im Dickicht verschwunden war.
»Lisa, warte!«, rief ihr Bruder besorgt und folgte ihr.
Kyra blickte hinüber zur Ausfahrt, dann auf ihren Vater. »Ich helfe den anderen. Mach du schon mal das Tor auf.«
»Wenn du mir sagst, womit«, erwiderte er und massierte sich zaghaft das Knie.
»Mit der Fernbedienung natürlich. Der aus dem Jeep.«
Kyra hatte die letzten Worte kaum ausgesprochen, als sie auch schon begriff, was los war.
Ihr Vater hatte die Fernbedienung gar nicht! Niemand hatte in der Eile des Absprungs daran gedacht, auch er nicht. Jetzt lag das Gerät irgendwo im Wrack des Jeeps, umzuckt von tödlichen Entladungen, begraben unter dem Kadaver des Fluggargoyles.
Sie konnten das Tor nicht mehr öffnen. Sie waren gefangen.
Gemeinsam mit hunderten von hungrigen Gargoyles.
Gegen die Zeit
»Chris?« Lisa schaute sich mit Tränen in den Augen um. »Wo bist du, Chris?«
Nils stieß von hinten zu ihr. Gemeinsam betrachteten sie die Schneise, die Chris’ Körper beim Sturz in das Unterholz gerissen hatte. Beide waren ratlos und verzweifelt.
Auch Kyra trat hinzu. Ihr Vater humpelte hinter ihr her, auf einen langen Ast gestützt.
»Wo steckt er?«, fragte sie.
Lisa folgte der Schneise bis zu ihrem Ende. »Hier muss er gelegen haben.«
Nils wurde bleich. »Glaubt ihr, die Gargoyles haben ihn …?«
In einem Anflug von Panik wirbelten alle herum, betrachteten argwöhnisch die Umgebung. Jeder rechnete mit einem plötzlichen Angriff.
Doch die Büsche blieben ruhig. Keine Pranken, die das Geäst auseinander rissen. Kein stinkender Raubtieratem, der die Blätter zum Welken brachte.
Kyra trat an den beiden Geschwistern vorbei und teilte das Dickicht am Ende der Schneise.
»Hier sind Spuren«, stellte sie fest.
Lisa war sofort bei ihr. »Sie führen zurück zum Kloster … Scheiße, was ist denn in den gefahren?«
»Wahrscheinlich hat er sich beim Sturz das Hirn angeschlagen«, bemerkte Nils missmutig.
Kyra schüttelte den Kopf. Chris musste gesehen haben, dass die Fernbedienung noch im Jeep gelegen hatte – zu spät, um selbst danach zu greifen. Und jetzt tat er das einzig Richtige: Er lief zurück zum Kloster, um das zweite Gerät zu finden.
In wenigen Worten erzählte sie Lisa und Nils, dass sie das Tor im Augenblick nicht öffnen konnten. Beide wurden kreidebleich, sagten aber nichts. Sogar Nils, der sonst immer schnell mit Vorwürfen zur Hand war, hielt sich zurück.
»Und du glaubst, er will die Fernbedienung von Doktor Richardson holen?«, fragte Lisa schließlich.
»Ihr wisst doch, wie er ist. Wahrscheinlich hat er ein schlechtes Gewissen, weil er nicht daran gedacht hat, das Ding aus dem Wagen mitzunehmen.«
»So ein Unsinn!«, entfuhr es Lisa erbost. »Keiner von uns hat dran gedacht.«
Kyra zuckte die Achseln. »Jemand, der Chrysostomus Guldenmund heißt, kann gar kein unkomplizierter Mensch sein.«
Chrysostomus war Chris’ voller Name. Sein Vater hatte gerade als Diplomat in Griechenland gearbeitet, als sein Sohn geboren wurde. Chrysostomus war griechisch und bedeutete goldener Mund, eine Übersetzung seines Nachnamens.
»Wir müssen hinterher«, entschied Kyra.
Der Professor räusperte sich. »Ich glaube nicht, dass ich allzu weit laufen kann.« Er stützte sich mit der Hand gegen einen Baumstamm, hob seine Astkrücke und fuchtelte damit hilflos in der Luft. »Aber ich kann euch doch auch nicht allein gehen lassen …«
»Klar kannst du«, widersprach Kyra. »Wir schaffen das schon.«
Nils sah nicht aus, als wäre auch er dieser Ansicht. Er seufzte leise.
»Sie müssen sich hier verstecken«, sagte Lisa zum Professor. »Wenn wir zurückkommen, holen wir Sie wieder ab.«
Kyra stimmte zu. »Das ist das Beste. Du würdest uns nur aufhalten.«
Ihr Vater lächelte gequält. »Oh, recht herzlichen Dank, junge Dame.«
Kyra umarmte ihn, vorsichtig, damit sie nicht an sein Knie stieß. »Das ist doch nicht deine Schuld«, sagte sie leise. »Komm, wir suchen einen Platz, wo dich keiner findet.«
Nils schaute sich um. Er
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