Sieben Tage: Thriller (German Edition)
und übte Druck auf die richtigen Stellen aus. Und in neun von zehn Fällen gaben ihm die Ergebnisse recht.
Instinkt.
Den vermisste er in der Sloet-Akte. Das Problem lag teilweise in der Ausbildung der Kriminalpolizisten, deren Schwerpunkt auf kriminaltechnischen Einsatzmitteln und Methoden ruhte. Intuition zählte nicht mehr. Dazu kam die mangelnde Erfahrung. Die Kollegen waren oft noch jung, arbeiteten teilweise in einer fremden Umgebung, umgeben von Angehörigen andererKulturen und Sprachgruppen, unter hohem Druck von allen Seiten. Sie gaben ihr Bestes, aber …
Es war kein Raubmord. Der Laptop und das Handy auf ihrem Schreibtisch … Obwohl niemand genau sagen konnte, ob in der Wohnung etwas fehlte, konnte Diebstahl als Motiv höchstwahrscheinlich ausgeschlossen werden.
Außerdem wurde sie nicht unmittelbar hinter der Tür getötet. Ihre Leiche lag circa vier Meter weit innerhalb der Wohnung, und die Blutspuren verrieten, dass sie mindestens drei Meter weit vom Eingang entfernt niedergestochen worden sein musste. Von vorne. Sie hatte nicht versucht, sich umzudrehen oder zu fliehen – sie hatte ihrem Angreifer gegenüber gestanden und sich nicht gewehrt. Nicht um ihr Leben gekämpft. Griessel ließ die Szene aus alter Gewohnheit, unwillkürlich und teils widerwillig, im Kopf ablaufen: Hanneke Sloet öffnet die Tür. Sie kennt den Besucher. Sie weicht zurück …
Aber sie wehrt sich nicht?
Die Türgriffe waren saubergewischt worden.
Hanneke Sloet hatte oben in ihrem Schlafzimmer gesessen und gearbeitet, ein Glas Wein, ihren Laptop und die Akten vor sich.
So vieles passte nicht zusammen.
Die Atelierfotos zum Beispiel. Aufreizend. Nackt.
Dennoch hatte sie während des letzten Jahres keine feste Beziehung mehr gehabt. Diese Unstimmigkeit machte ihm zu schaffen.
Vielleicht hatte sie keine Zeit für eine Beziehung gehabt. Um sechs Uhr früh im Sportstudio, abends um acht erst zu Hause. Letztes Jahr war sie sogar noch von Stellenbosch aus gependelt.
Zeitmangel war eine Möglichkeit. Aber wozu dann die Fotos?
Er musste daran denken, Tommy Nxesi nach dem Fundort der Fotos zu fragen. Wo hatte Hanneke Sloet sie aufbewahrt?
Er vergrub sich bewusst in die Akte, weil er nicht an seinen peinlichen Auftritt auf der Party denken wollte. Kurz vor dem Einschlafen dachte er jedoch mit einer gewissen Genugtuung daran, dass ihn an dem Abend eine Frau für Paul Eilers gehalten hatte.
Dann konnte er so hässlich ja gar nicht sein.
7
Er träumte von Lize Beekman. Sie gingen eine belebte Straße entlang, und er versuchte ihr verzweifelt zu erklären, wie ihm ihr gegenüber etwas so Lächerliches herausrutschen konnte. Doch sie beachtete ihn gar nicht. Sie verschwand, löste sich in der Menge auf, und ihn trafen die verächtlichen Blicke der Passanten.
Das Handy weckte ihn, und Griessel setzte sich auf, ohne zunächst zu wissen, wo er war.
Er sah die Akte auf der Kommode liegen, und allmählich kamen ihm die gestrigen Ereignisse wieder in den Sinn. Er rieb sich mit den Handflächen über das Gesicht. Dann stand er langsam auf, zog sich an und ging ins Badezimmer. Anschließend spähte er vorsichtig in Alexas Zimmer.
Sie schlief noch.
Er überlegte, wie es jetzt weitergehen sollte. Er musste nach Hause, duschen, sich rasieren, Zähne putzen und frühstücken – er hatte am Abend zuvor nichts gegessen. Dann musste er rechtzeitig zum Treffen mit Tommy Nxesi bei Sloets Wohnung erscheinen. Andererseits wollte er Alexa nicht allein lassen …
Er fasste einen Entschluss, brachte die Akten hinunter in sein Auto und holte Notizbuch und Stift aus dem Handschuhfach. Der Morgen war klar, sonnig und windstill, die Felswände des Tafelbergs glühten. Er blieb einen Augenblick auf der Straße stehen und sah sich das Schauspiel an, eilte dann zurück, setzte sich wieder an die Spiegelkommode im Gästezimmer und schrieb eine Nachricht für sie.
Alexa,
es tut mir furchtbar leid wegen gestern Abend. Alles war meine Schuld. Bitte ruf mich an, wenn Du wach wirst. Ich muss dringend mit Dir reden.
Bennie
Er riss die Seite heraus, schlich sich so leise wie möglich in ihr Zimmer und legte den Zettel auf den Nachttisch, wo sie ihn sehen musste.
36-On-Rose war ein nagelneues, fünfstöckiges Apartmenthaus, dessen Architektur die des Bo-Kaaps auf moderne Weise widerspiegeln sollte. Die unteren Stockwerke waren in den gleichen bunten Farben gestrichen wie die kleinen Arbeiterhäuschen weiter oben in der Roosstraat.
Nxesi wartete vor dem
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