unterschätzen. Man durfte nicht zögern. Man durfte keinerlei unnötiges Risiko eingehen.
Er versuchte sich die Euphorie des gestrigen Nachmittags wieder ins Gedächtnis zu rufen, diese schwindelerregende Mischung aus Genugtuung und Selbstzufriedenheit – er hatte sie überlistet, er war ihnen entwischt, er hatte zurückgeschlagen. Er war davon überzeugt gewesen, dass seine Strategie meisterhaft, unfehlbar war. Doch jetzt nagte wieder der Zweifel an ihm. Und die Angst, erwischt zu werden.
Gegenüber bog ein weißer SAPD-Pkw in das Tor ein.
Der Adrenalinspiegel stieg noch einmal an.
Er legte die Wange an den Gewehrkolben und schaute durch das Teleskop.
[email protected] Gesendet am: Sonntag, 6. Februar, 22:47
An:
[email protected] Betreff: An Kaptein Bennie Griessel
Ich habe den Artikel im Weekend Argus gesehen. Können Sie Recht geschehen lassen (Sprichwörter 21, 15)? Oder stecken Sie auch mit den Kommunisten unter einer Decke? Ich hoffe nicht, denn ansonsten müsste ich zu härteren Mitteln greifen.
Ich habe gestern den Polizisten in Claremont angeschossen. Heute folgt der nächste. Jeden Tag einer, bis Sie den Mörder vor Gericht bringen.
Sie wissen, wer es ist.
Griessel blickte auf. Mbali sagte, General Afrika habe die E-Mail heute Morgen an sie beide weitergeleitet und sie gebeten, sie ihm zu übermitteln.
Er dankte ihr und fragte, ob sie in Claremont irgendetwas gefunden hätten.
Die Frustration stand ihr ins Gesicht geschrieben, als sie, gemessen und langsam, die Probleme an ihren dicken Fingern abzählte. Erstens: Es gab keine Augenzeugen. Niemand hatte den Schuss gehört, niemandem war etwas Ungewöhnliches aufgefallen. Zweitens: Die Kugel, die das Knie von Konstabel Brandon April zerschmettert hatte, war beim Aufprall zerstört worden. Drittens: Die Art der Wunde machte es schwierig, die Flugbahn des Geschosses zu berechnen – sie wussten noch immer nicht, von wo aus der Schuss abgegeben worden war. »Wenn man überlegt, von wo aus der Parkplatz überall einsehbar ist, könnte der Schütze von der Schule aus oder aus einem Mietshaus heraus geschossen haben, wenn, dann allerdings aus einem Innenraum oder vom Dach aus. Aber alle Zugänge waren versperrt, und wir haben keine Einbruchsspuren gefunden.« Ein Kellner kam, und Mbali orderte streng: »Eine Cola, aber das Eis extra, nicht erst das halbe Glas damit füllen!«
Der Mann zog die Augenbrauen hoch und sah Griessel an, der ihm bedeutete, dass er nichts trinken wolle.
»Wir wissen also nichts über den Täter und seinen Standort«, fuhr Mbali fort. »Und heute sucht er sich sein nächstes Opfer.«
Oberstleutnant Bevan Dlodlo zog am Aluminium-Griff der Eingangstür zur Dienststelle Groenpunt.
Im selben Augenblick explodierte mit einem ohrenbetäubenden Knall die Glasscheibe vor ihm.
Vor Schreck zuckte er am ganzen Körper zusammen. Eine Scherbe war in seine Stirn eingedrungen und verursachte einen brennenden Schmerz. Aus dem Inneren des Gebäudes ertönten Rufe, Glas regnete klirrend auf den Beton und zerbrach. Instinktiv duckte er sich, suchte eng an der Mauer Deckung und bewegte sich von der Tür weg. Er zog die Dienstpistole aus dem Hüftholster.
Mit dem Rücken zur Wand ging er in die Hocke. Er spürte ein warmes Blutrinnsal über die Stirn sickern. Mit schussbereiter Pistole wollte er gerade den Kollegen im Inneren des Gebäudes zurufen, was denn geschehen sei, da riss plötzlich etwas so heftig an seinem Knöchel, dass er nach links umkippte.
Verwundert blickte er seinen Unterschenkel an. Er sah, dassder blaue Polizeistiefel zerfetzt war. Blut sickerte hindurch und sammelte sich allmählich auf dem Beton zu einer Pfütze.
Er ließ den Blick über den Parkplatz schweifen. Niemand zu sehen.
Auch die Straße war menschenleer.
Dann erst durchfuhr ihn der höllische Schmerz.
11
Mbali hatte die Akte aufgeschlagen vor sich liegen, tippte auf die E-Mails und sagte: »Ich verstehe diesen Typen nicht. Liegt das an meinem schlechten Afrikaans?«
»Nein«, erwiderte Griessel. »Ich verstehe ihn auch nicht. Gestern Abend dachte ich … dass er absichtlich so tut, als sei er verrückt. Ich meine … wenn man die E-Mails liest, klingt er wie ein Irrer. Aber dann macht er seine Drohung wahr und schießt tatsächlich auf Polizisten. Schau dir mal die eine E-Mail an, da heißt es: Sie haben zwei Wochen Zeit, den Mörder zu verhaften. Schon damals hat er seine Aktionen geplant. Sie sorgfältig vorbereitet. Er ist … anders. Und