Sieben Tage: Thriller (German Edition)
Sono magnifico. ›Ich bin wunderbar.‹« Und wieder lachte Phil Pagel aus vollem Herzen.
»Wirklich, Prof?«, fragte Griessel verwundert.
»Wirklich, Nikita. Pavarotti sah mich befremdet an, drehte sich weg und unterhielt sich mit jemand anderem, und bis ich meinen gigantischen Fauxpas erkannt hatte, war es schon zu spät. Noch Monate danach errötete ich vor Scham, geplagt von Reue und Selbstvorwürfen. Bis ich irgendwann selbst darüber lachen konnte. Meine Bewunderung für ihn war schließlich aufrichtig, und ich war in den Genuss seiner Stimme gekommen.«
Griessel fühlte sich etwas erleichtert. Wenn sogar Phil Pagel so etwas passierte, den er außerordentlich bewunderte.
»Ein Voupa, Prof?«
»Fauxpas«, buchstabierte Pagel. »Französisch für ›Fettnäpfchen‹, klingt aber nicht so krass.«
»Fauxpas«, wiederholte Griessel. Das gefiel ihm.
»Das passiert uns allen einmal. Aber bestimmt bist du nicht gekommen, um über Fettnäpfchen zu reden, Nikita.« Er zog eine dicke Akte näher zu sich heran. »Nach deinem Anruf habe ich mir noch einmal meine Aufzeichnungen im Fall Sloet angesehen. Ich fühlte mich an unseren Fall mit dem Speermörder vor ein paar Jahren erinnert, weißt du noch? Der Artemis-Mann, der die Kinderschänder umgebracht hat?«
»Ich erinnere mich noch sehr gut daran.«
»Die Wundpathologie damals war ähnlich, Nikita, nicht gleich, aber ähnlich. Dass Sloet nur diese eine Wunde hatte, stellt uns vor ein weiteres Problem, weil sie so wenige Rückschlüsse zulässt. Ich kann zwangsläufig nur spekulieren. Aber ich nehme an, du bist gekommen, weil du genau das willst.«
»Ja, bitte, Prof.«
»Die Mordwaffe gleicht in mancher Hinsicht einer Speerklinge. Zum einen, was die Diamantgeometrie betrifft, also die Form, die Länge, das Fehlen eines Heftschutzes und die symmetrische Spitze. Aber es gibt auch einige wichtige Unterschiede. Ich betone noch einmal, Nikita: Das sind reine Spekulationen, denn wir haben nur die eine, frontale Stichwunde. Mir scheint zum Beispiel, dass in diesem Fall die Diamantgeometrie ausgeprägter ist. In der Mitte ist die Klinge etwa fünf Millimeter dicker als am Rand. Andererseits ist sie etwa einen Zentimeter schmaler als eine durchschnittliche Speerklinge. Die Abmessungen könnten zu einem Schwert passen, aber die Schneiden sind dafür zu unregelmäßig, als seien sie hastig und schlampig gearbeitet. Als hätte der Täter sie schärfen wollen, sei dabei aber dilettantisch vorgegangen. ›Selbstgemacht‹, war mein erster Eindruck, so steht es ja auch im Bericht. Je genauer ich hingeschaut und gemessen habe, desto mehr kam es mir vor, als sei die Klinge in einer Hinterhofwerkstatt entstanden. Ein Metallstab, der gefeilt und beschliffen wurde, von innen nach außen, um die Diamantform und die scharfen Schneiden zu erhalten. Die Spektroskop-Analyse war nicht eindeutig, dafür hatten wir zu wenige Materialspuren, aber ich glaube, ich liege richtig.«
»Er hat das Ding mitgebracht, Prof. Es kann also nicht allzu groß oder schwer gewesen sein.«
»Die Klinge war definitiv länger als zwanzig Zentimeter. Aber sehen wir uns mal den Wundkanal und den Einstichwinkel an. Eine kurze Waffe, ein Messer oder ein Dolch, wird typischerweise in einem Winkel von hundertdreißig Grad in die Brust gebohrt, aufwärts oder abwärts, um die maximale Wirkung zu erzielen. Der Einstichwinkel bei Sloet betrug knapp unter hundert Grad, leicht schräg von oben. Wenn man vom durchschnittlichen Größenunterschied zwischen Männern und Frauen ausgeht, hätte der Täter fast horizontal zugestochen. Was ebenfalls zu einem Schwert passt, jedenfalls einer längeren Waffe. Vierzig Zentimeter oder mehr. Aber selbst wenn sie sechzig, siebzig Zentimeter lang gewesen wäre, muss sie, in Anbetracht der Breite und Dicke und dem spezifischen Gewicht von Stahl, nicht unbedingt schwerer als ein Kilogramm gewesen sein.«
Griessel fragte kopfschüttelnd: »Aber warum, Prof? Warum sollte man eine solche ziemlich lange Waffe selbst herstellen und mit sich herumtragen? Das ist doch sehr schwierig und umständlich. Es sei denn, man hat die Absicht, jemandem einen Schrecken einzujagen. Aber das wollte der Täter nicht. Er kam mit der Absicht, zu töten.«
»Forensisch gesehen war das aber sicher, Nikita. Schlau. Keine ballistische Spur, kein physischer Kontakt mit dem Opfer …«
Griessel dachte darüber nach. Dann erzählte er Pagel von den morgendlichen Ergebnissen der Spurensicherung und der Theorie,
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