Sieben
genügen, um darin – neben den sieben Himmeln – sogleich auf eine respektable Reihe weiterer
Siebenbezüge zu stoßen. Nur im Koran? Ist nicht auch im Alten und Neuen Testament der Bibel von jenem »siebten Tag« die Rede,
an dem der Herr nach vollbrachter Schöpfung ruhte? Und sprach nicht Jesus am Kreuz sieben letzte Worte?
Auch im Judentum, der ältesten abramitisch-monotheistischen Weltreligion, kommt der Sieben eine prominente Position zu – Stichwort:
Menora. Liegt also der Ursprung der magischen Sieben am Ende nicht in den Mythen,Märchen und Legenden der Völker begründet, sondern in deren Religionen? Sollte man daher, statt von einer »magi schen «, nicht besser von einer »mystischen« oder gar »heili gen « Zahl sprechen?
Ohne Zweifel spielt das religiöse Motiv auch in dem eingangs zitierten Raben-Märchen der Brüder Grimm eine Rolle, als sich
von der ersten zur zweiten Auflage nicht nur der Einstieg (Nottaufe statt Kartenspiel), sondern auch die Zahl der verwunschenen
Söhne (sieben statt drei) erhöhte – ein Wandel, der ganz offensichtlich auch durch die »sieben Sakramente« der katholischen
Kirche motiviert wurde, von denen die Taufe bekanntlich das erste und grundlegendste ist. In der Tat begannen sich Grimms
Märchen ab der zweiten Auflage christlich zu wandeln, machten blutrünstig-archaische Ansätze mehr und mehr (wenn auch nicht
immer) einer Art christlicher Moral Platz, wuchs die Zahl der Sieben-Märchen von ursprünglich 13 auf 33.
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»Siebzig Mal sieben« – spricht Jesus
Die Sieben als heilige Zahl
Wer sich durch den Märchenfundus der sechs Kontinente liest (allein die Antarktis hat zum Welt-Märchenerbe bislang nichts
beigetragen), dem begegnen dort immer wieder auch Motive der jeweils herrschenden Religionen – sei es, dass zur Stützung der
Märchenmoral die sieben Sakramente oder die sieben Todsünden beschworen werden; sei es, dass die sieben Himmel poetisch wirksam
werden; sei es, dass die Märchenhelden und -heldinnen die Götter des Hinduismus, den Propheten, Gott oder Allah persönlich
anrufen.
Es ist also kein Wunder, dass Märchentexte und religiöse Schriften einander teils zum Verwechseln ähneln und dass sich hier
wie dort insbesondere
ein
uns wohlbekanntes Element immer wieder machtvoll in Szene setzt.
»Nimm dir das zu Herzen«, dröhnte eine Donnerstimme. »Das Wasser ist so tief, mit derart wechselnden Strömungen, dass eine
Axt, die vor sieben Jahren hineinfiel, noch immer nicht den Grund erreicht hat«,
heißt es da in den ›Jewish Fairy Tales‹. Und in der heiligen jüdischen Schrift, dem Tenakh beziehungsweise Tanach, steht zu lesen (Daniel 4.16):
Und vom Tau des Himmels mag er benetzt werden, und bei den Tieren des Feldes soll er sein Teil haben, bis sieben Jahre über
ihn hingegangen sind!
Rund 300 Mal erscheint die Sieben in den fünf Büchern der ›Thora‹, den ›Nevi’im‹ (Propheten) und den ›K’tuvim‹ (Schriften) – und nicht
ein einziges Mal in belanglosem Zusammenhang. Etwa:
Der Herr aber sprach zu ihm: (…) Jeder, der
Kain erschlägt, soll siebenfach gerächt werden!
So schildert Moses in seinem ersten Buch (hebräisch:
Bereishit
; griechisch:
Genesis
) Gottes Rachevorbehalt gegenüber dem Brudermörder Kain, der seine Untat obendrein vor dem Herrn leugnet. Und als Gott später
gewahr wird, dass Kains schlimme Charaktereigenschaften sich offenbar auf dessen Nachkommenschaft vererbt haben, fasst er
den radikalen Entschluss, die missratene Sippschaft in einem Aufwasch zu beseitigen. Mit einer Ausnahme (Bereishit 7.1):
Und der Herr sprach zu Noah: Geh in die Arche, du und dein ganzes Haus; denn dich habe ich gerecht vor mir erfunden in dieser
Generation. Von allem reinen Vieh sollst du je sieben zu dir nehmen, ein Männchen und sein Weibchen; und von dem Vieh, das
nicht rein ist, je zwei, ein Männchen und sein Weibchen; auch von den Vögeln des Himmels je sieben, ein männliches und ein
weibliches: um Nachwuchs am Leben zu erhalten auf der Fläche der ganzen Erde! Denn noch sieben Tage, dann lasse ich es auf
die Erde regnen.
Wollte man die Historie des Judentums mit drei Schlagwörtern skizzieren, so müssten diese wohl lauten: Vertreibung, Diaspora,
Neubeginn. Die Anfänge datieren zwischen 1500 und 1200 vor Christus, als sich von den Hochkulturen Mesopotamiens und Ägyptens
aus kleinere Gruppen aufmachten, um das teils recht fruchtbare Gebiet am Ostrand des Roten
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