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Sieben

Sieben

Titel: Sieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Schlueter
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mittels eines keilförmigen Druckstempels dauerhaft speichern ließen.
    Mit den Pfründen, die es in der prosperierenden und zunehmend hierarchisch gegliederten Gesellschaft der StädteUr, Uruk, Lagasch, Nippur und Eridu zu wahren galt, wuchs der Bedarf an göttlicher »Rückversicherung« gegen allfällige Unbilden,
     Katastrophen und Gefährdungen. Und während überall sonst auf der Erde nach wie vor schamanische Kultpraktiken, Animismus,
     Fetischglaube, Totem und Tabu das kosmologische Band zu den jenseitigen Mächten knüpften, etablierten sich in der fortan »Sumer«
     (= Kulturland) genannten Region höchst konkrete Vorstellungen von einer Vielgötterwelt, deren Mitglieder man ausschließlich
     im Himmel verortete und die man daher mit dessen ebenso unerklärlichen wie regelmäßigen Erscheinungen unmittelbar in Verbindung
     brachte.
    An der Spitze dieses Pantheons etablierte sich der in stetig gewandelter Gestalt über den Himmel flanierende Mondgott Nanna,
     gefolgt von Gattin Ningal und der gemeinsamen Tochter Innana, die man mit dem hell leuchtenden Abendstern gleichsetzte. Zuständig
     für die korrekte Zuordnung der immer umfangreicher werdenden Kultrituale, Feiertage, Dank- und Opferfeste war eine Berufsgruppe,
     deren schamanische Wurzeln infolge der geistig-geistlichen Durchdringung des zunehmend »theologischen« Gesamtkomplexes rasch
     unkenntlich wurden: die Priester. Sie waren es, die – Seite an Seite mit der weltlichen Macht – die Götterwelt und deren Macht
     für die Untertanen erfahrbar machten, die den Göttern ein anthropomorphes Antlitz verpassten und die im dritten vorchristlichen
     Jahrtausend jene schon erwähnten Zikkurat (= Himmelsberg) genannten Tempel entstehen ließen. Und als habe es akkurat dieser
     Stufe der religiösen Evolution bedurft, stellt sich pünktlich mit den ersten Zikkurats erstmals in der menschlichen Kulturgeschichte
     ein bis dahin scheinbar unbeachtetes Element ein: die mystische Sieben.
    »Haus der sieben Teile der Welt« nennen die sumerischen Priester ihre in sieben Etagen in Richtung der sieben Wandelgestirneaufragenden Tempel. Und da die Priester aus der schamanischen Vergangenheit wissen, dass Kult und Religion starker Mythen
     bedürfen, um ihre Wirksamkeit zu steigern, liegt es nahe, die als himmlisch erkannten Siebenbezüge   – Stichwörter: Mondphasen, Kleiner und Großer Wagen, Siebengestirn oder ebenjene sieben Wandelgestirne – episch zu unterfüttern:
    Steig auf die Mauer von Uruk, geh voran,
    Prüfe die Gründung, besieh das Ziegelwerk!
    Ob ihr Ziegelwerk nicht aus Backsteinen ist,
    Ihren Grund nicht legten die sieben Weisen.
    So heißt es da etwa gleich auf der ersten Lehmtafel jener Heldengeschichte, die ihre mystische Spannung aus dem Mit- und Gegeneinander
     von Menschen und Göttern bezieht und die sich als das erste schriftliche Epos der Menschheitsgeschichte erweisen soll. Und
     es ist denn auch nicht zufällig die schon erwähnte bildschöne Mondtochter Innana – in späterer semitischer Abwandlung auch
     Ischtar genannt   –, die sich in Bilga, den sagenhaften König von Uruk und Protagonisten dieser Story verliebt. Erst in späteren Überlieferungen
     wird man den Namen in Bilgamesch, noch später in Gilgamesch verwandeln, ohne dass sich dadurch am fruchtlosen Verlauf der
     auf Unsterblichkeit gerichteten Bemühungen des Helden das Geringste ändert. Dabei ist es keineswegs nur das erstmalige Aufblühen
     der Siebenmythologie, die das ›Gilgamesch-Epos‹ bis heute so interessant macht:
    Brot aß Enkidu, bis er gesättigt war,
    Trank den Rauschtrank – der Krüge sieben!
    Oder:
    Grubst du ihm Gruben, sieben und abermals sieben.
    Da du liebtest das schlachtenfromme Ross,
    Hast ihm Peitsche du, Stachel und Peitschenschnur bestimmt,
    sieben Doppelstunden zu rennen bestimmt.
    Sowie:
    Die sieben Stadttore von Uruk verriegelte er.
    Das Wort hörte sie, die Bürgerschaft scharte sich,
    Man gab sich der Freude hin auf der Straße von Uruk-Markt.
    Von besonderer Bedeutung sind auch jene Elemente, denen wir mehr als tausend Jahre später an anderer prominenter Stelle wiederbegegnen
     werden:
    Sechs Tage und sieben Nächte
    Geht weiter der Wind, die Sintflut,
    Ebnet der Orkan das Land ein. (...)
    Wie nun der siebente Tag herbeikam,
    Ließ ich eine Taube hinaus;
    Die Taube machte sich fort – und kam wieder:
    Kein Ruheplatz fiel ihr ins Auge, da kehrte sie um.
    Es ist dies das Sintflut-Motiv mit seinen wesentlichen Erzählbestandteilen.

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