Sieben
letztlich auf den Vorgaben sumerischer Könige aufbaut, wirkte die sumerische Hochkultur
im erblühenden Babylon auch auf anderen Gebieten fort. So wird sich »Sumerisch« – ungeachtet der gewandelten Alltagssprache
– noch jahrhundertelang als sakrale und literarische Hochsprache erhalten. Und so wird sich auf diese Weise die sumerische
Vielgötterwelt im Großen und Ganzen auch in Babylon behaupten.
Mehr denn je verehrt ist die Mondtochter Ischtar, ihr sind in der sieben Quadratkilometer großen Metropole außer dem Haupttor
als einziger Gottheit gleich zwei Tempelgeweiht. Nur an der Spitze des Pantheons haben sich die Machtverhältnisse verschoben. Maßgeblich hierfür ist jenes babylonische
Weltschöpfungsgedicht, welches sich ›Enuma elisch‹ nennt (›Als der Himmel noch nicht genannt war‹).
Nach dem heutigen Stand der Forschung datiert die Niederschrift von ›Enuma elisch‹ etwa um das Jahr 800 vor Christus. Es mag
ein Zufall sein, dass in Babylon ungefähr zur selben Zeit ein architektonisches Werk seiner Bestimmung übergeben wird, das
sich Seite an Seite mit dem nebulösen Turmbau als der berühmteste Bau der babylonischen Geschichte erweisen soll: Gemeint
ist jene Terrassenlandschaft voller ausgeklügelter Bewässerungssysteme, die sich unter dem Namen »Hängende Gärten« zeitlich
gesehen als zweites »Weltwunder der Antike« hinter die Pyramiden von Gizeh reiht. Babylon steht zu dieser Zeit unter dem rund
fünfjährigen Interregnum einer assyrischen Königin namens Sammuramat. Erst die griechischen Geschichtsschreiber nachfolgender
Jahrhunderte verwandeln den Namen der Königin in »Semiramis«. Doch hat es jene »Hängenden Gärten der Semiramis« wirklich gegeben
oder entsprangen diese möglicherweise ebenso der schwülen Phantasie nachgeborener Chronisten wie jener Mythos von der »Hure
Babylon«, der sich – via biblischer Offenbarung – bis heute als Vielzweckmetapher behauptet? Entzündet hat sie sich ursprünglich
wohl an selbiger Königin:
Und es kam einer von den sieben Engeln, die die sieben Schalen hatten, und redete mit mir und sprach
, heißt es da in der im ersten nachchristlichen Jahrhundert verfassten Offenbarung des Johannes 17, 1 – 3:
Komm her, ich will dir das Urteil über die große Hure zeigen, die auf den vielen Wassern sitzt, mit der die Könige der Erde
Hurerei getrieben haben.
Besagter Johannes mag sich dabei wohl an jenen Bericht des zeitnäher geborenen Herodot (490 – 424 vor Christus) orientiert haben:
Jede Babylonierin muss sich ein Mal in ihrem Leben in den Tempel der Aphrodite begeben
[gemeint ist Ischtar
] , sich dort niedersetzen und sich einem Mann aus der Fremde preisgeben.
Ob der von manchen heutigen Geschichtswissenschaftlern als »Stubengelehrter« bezeichnete Herodot den beschriebenen Vorgang
tatsächlich aus eigener Anschauung erlebt hat, darf indes bezweifelt werden. Nicht minder groß sind im Übrigen die Zweifel
an der Existenz besagter »Hängender Gärten«. Von ihnen gibt es weder eine authentische zeitgenössische Darstellung, noch wurden
diese unter den baulichen babylonischen Überresten bis heute zweifelsfrei identifiziert.
Als wollten die – inzwischen assyrisch gewandelten – Babylonier dem monotheistischen Ansatz des viele hundert Kilometer westlich
entstehenden Judentums vorgreifen, beherrscht hier mit einem Mal ein neuer Hauptgott die Szene – sein Name: Marduk. Und als
sei anderes gar nicht vorstellbar, erfährt mit der neuen göttlichen Himmelshoheit ein anderes, wohlbekanntes Element seine
sakrale Fortschreibung:
Er sandte die sieben Winde aus, die er gemacht hatte.
Längst haben auch diese sumerischen Wurzeln im fruchtbaren babylonischen Boden gegriffen, treiben Mythen, Himmelskunde und
mathematische Berechnungen vielfältig neueAbleger. Es reihen sich neben die Vorstellung von »sieben Himmeln« oder »sieben göttlichen Winden« jene von »sieben Metallen«
(Gold, Silber, Quecksilber, Kupfer, Eisen, Zinn, Blei), »sieben Farben«, »sieben Erdteilen«, »sieben Flüssen«, »sieben Meeren«,
»sieben Zweigen des Lebensbaumes« sowievon »sieben Düften«, welche entweder als Weihrauch (Zeder, Zypresse, Storax, Myrte, Ladanum) oder in Salbenform (Galbanum,
Narde) mal den göttlichen, mal den menschlichen Riechorganen schmeicheln.
Der Gesetzeskodex von Hammurapi, musée du Louvre, antiquités moyen-orientales
Was spräche angesichts all dessen also dagegen, bei
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