Sieben
uns dann noch an der Annahme, dass eine aus dem schamanischen Sternenverständnis abgeleitete zentrale Stellung
der Sieben aus den indigenen Kulturen der nördlichen Erdhalbkugel nach und nach in jene höheren Kulturen eingesickert ist,
die sich ab dem fünften vorchristlichen Jahrtausend in Kleinasien, imNildelta, in Nordindien und im östlichen China zu bilden begannen? Ist nicht eine solch archaisch-schamanische Urvorstellung
einer mystischen Sieben ungleich wahrscheinlicher als die umgekehrte Annahme, die »Zahl der Zahlen« sei um das Jahr 4000 vor
Christus von sumerischen Priestern sozusagen »aus dem Nichts« erfunden worden und habe sich anschließend gleichsam urknallartig
in alle Welt ausgebreitet?
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Zu guter Letzt
Das kleine und das große »Aber«
Wenn es in der menschlichen Kulturgeschichte so etwas wie »ewige Wahrheiten« gibt, dann stößt man rasch auf die Binsenwahrheit,
dass jede Erkenntnis mehr neue Fragen aufwirft, als sie beantwortet. Ähnlich wie die Entdeckung eines Planeten sofort Fragen
nach dem Woher und Wohin, dem Alter, der Größe, der Entfernung oder der chemischen Konsistenz aufwirft, so geht es uns im
Moment auch bei der Spurensuche nach den Wurzeln der magischen Sieben – vorausgesetzt, unsere auf Indizien gegründete Annahme
schamanischer Ursprünge ist richtig. Daraus ergibt sich unmittelbar ein ganzes Bündel weiterer Fragen, zum Beispiel: Warum
sticht die Sieben die Neun in Sachen Magie um ein Vielfaches aus, spielt diese doch im Schamanismus eine kaum minder große
Rolle – Stichwörter: neun Himmelssphären, neunästiger Weltenbaum.
Wie erwähnt entwickelte die Neun in der Mythologie der Antike tatsächlich zunächst weitaus größere mystische Kraft als die
Sieben – zum Beispiel die neun Musen –, aber etwa auch die neun Walküren der germanischen Mythologie. Die neunstöckige chinesische Pagode geht ebenfalls auf schamanische
Ursprünge zurück, und sind nicht die neun Körperöffnungen der Menschen, der Vögel und fast aller Säugetiere unseren körperlichen
Siebenbezügen (sieben Nackenwirbel, sieben Gesichtsöffnungen) zumindest ebenbürtig?
Oder ein anderes Beispiel aus der Physiologie: Lässt unser Körper bei oberflächlicher Betrachtung nicht eher auf ein sechs-
beziehungsweise fünfteiliges Bauprinzip schließen (Kopf/Rumpf plus zwei Arme plus zwei Beine) als auf ein siebenteiliges?
Beeinflussen nicht die fünf Finger einer Hand ganz entscheidend das kindliche Zählvermögen, und gründet nicht gerade auch
die Fünf auf ähnlich mystischem Urgestein wie die Sieben und die Neun? Man denke etwa an das auf Seite 22 abgebildete Pentagramm
»zur Abwehr des Teufels«, an die fünf Bücher Mose, die fünf Säulen des Islam und seine fünf täglichen Pflichtgebete; dazu
an jene uralten chinesischenBezüge, von denen hier nur mehr die fünf Himmelsrichtungen, die fünf »klassischen Bücher«, die fünf Jahreszeiten und die fünf
Tugenden erwähnt seien.
Wer sich mit Mythos und Magie der Zahlen befasst, begegnet früher oder später dem Begriff »Quintessenz«. Nicht dass alle Numerologie
auf Letztere hinausliefe, dazu lässt besagte »Lehre« (von griechisch lógos) gar zu viele Interpretationsmöglichkeiten zu,
deshalb wollen wir zum Thema besser nicht Numerologen befragen, sondern Kluges ›Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache‹:
Demnach rührt der Begriff vom Lateinischen »quinta essentia« (= das fünfte Seiende) her. Es waren die Alchimisten des Spätmittelalters,
die den vier Elementen beziehungsweise jenen vier Säften, aus denen der Mensch nach antiken Vorstellungen zu bestehen schien,
noch ein fünftes, spirituelles Element hinzufügten und damit den Menschen mit den mystischen Anforderungen des Pentagramms
kompatibel machten.
Wer auch immer seinen Mitmenschen »ein X für ein U« vormacht, ist sich möglicherweise nicht bewusst, dass auch diese Redensart
ursprünglich mit der Fünf zu tun hat. Stellt man nämlich für beide Großbuchstaben X und U die römischen Ziffern X (= 10) und
V (= 5), so ergibt sich daraus der Sinn, »jemandem etwas Kleineres als etwas Größeres verkaufen«. Womit wir unversehens bei
der Quintessenz moderner »Wachstums-Alchimie« angelangt wären. Aber das ist ein ganz anderes Thema.
Und ist nicht überhaupt die Drei die göttliche Zahl par excellence? Man denke an die Trinitäten im Christentum (Vater, Sohn,
Heiliger Geist), im Hinduismus
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