Sieben
vorderster Front christliche Gnosis, jüdische Kabbalistik oder islamische Exegese mitwirkten, umso mehr traten mit einem
Mal die besonderen …
numerischen Eigenschaften der Sieben in den Vordergrund: So erwies es sich als buchstäblich »segensreich«, dass sich die zahllosen
Siebenbezüge der Thora, der Bibel und des Koran gleichsam mathematisch belegen ließen – etwa indem man die »göttliche Drei«
und die »weltliche Vier« zu einer Art »Weltformel« addierte. Dass sich besagteTrinitäten zugleich symmetrisch um das »Zentrum« (sprich: Gott) gruppierten, so man sie etwa wie folgt niederschrieb: I I
I I I I I, bestätigte zudem jene von Seneca, Cicero und Cato beschworene Vollkommenheit, die die Sieben wie keine andere Zahl
für die Zusammensetzung von Gremien prädestinierte und damit zur …
Rundzahl par excellence machte: Egal ob man nun eine Stadt durch sieben Tore zugänglich machte oder die andere auf sieben
Hügeln wähnte, ob man nach wie vor von »sieben Weltmeeren« sprach, von »sieben Weisen« oder »sieben Weltwundern«, ob man nur
seine »Sie bensachen « packte oder ob sich gar das ganze Heilige Römische Reich in sieben Kurfürstentümer gliederte: Längst war die Sieben mehr
als nur eine arithmetische Rechengröße, sondern stand daneben symbolisch für Komplettheit beziehungsweise das Ganze. Kein
Wunder, dass diese durch Religion und Weltlichkeit gestützte, durch Kolonialisierung und Missionsarbeit weltweit verbreitete
Bedeutungsschwere sich auch im …
Volksglauben, sprich im Aberglauben niederschlug: Wir finden sie in den Wetterregeln, in den Sagen, Märchen und den Spruchweisheiten.
Mehr als je zuvor in der Menschheitsgeschichte war die Sieben damit buchstäblich in allen Köpfen. Ein Effekt, den der Schweizer
Psychoanalytiker Carl Gustav Jung als …
das kollektive Unbewusste bezeichnete: Dadurch fügte er der überlieferten Mystik noch ein tiefenpsychologisches Element hinzu.
Gemeint ist jene Rätselhaftigkeit, die die Zahl Sieben dem kindlichen Lernprozess auf lange Sicht entzieht, wie die Ergebnisse
zahlreicher Untersuchungen zur Bildung des Zahlbegriffs bei Kindern belegen. So mag dies auch ein Grund dafür sein, dass junge
Menschen in Tokio, New York und Berlin unter den Zahlen Null bis Elf gar so oft der Sieben den Vorzug geben – jenesPhänomen, das der englische Philosoph John Locke, wie schon erwähnt, bereits im 17. Jahrhundert konstatierte.
Bleibt am Ende die Frage, woran es wohl liegen mag, dass diese Betrachtung über die magische Sieben akkurat mit dem siebten
Kriterium endet? Zufall, Magie, Tiefenpsychologie oder doch Absicht? Oder setzt sich am Ende auch hier ein geradezu zwanghafter
Erklärungsdrang in Szene, der die Karriere der Sieben durch alle Epochen hindurch beflügelte und der uns allzu oft dazu verführt,
Rationales mit Nicht-Rationalem zu assoziieren?
Bevor wir also der Versuchung erliegen, jene gehirnphysiologischen Wurzeln allen Aberglaubens gar als »zweite und dritte ewige
Wahrheit« zu bezeichnen und am Ende bei »sie ben ewigen Wahrheiten« stranden, soll diese Betrachtung doch besser mit der »närrischen« Logik aus William Shakespeares ›König
Lear‹ enden:
Narr: Die Ursache, warum das Siebengestirn nicht mehr als sieben Sterne hat, ist eine artige Ursache.
Lear: Weil es nicht acht sind.
Narr: Das ist es, in der Tat – du würdest einen feinen Narren abgeben.
[ Menü ]
Literaturverzeichnis
Allgemeine Literatur
Andrian-Werburg, Ferdinand von:
Die Siebenzahl im Geistesleben der Völker
, in:
Prähistorisches und Ethnologisches, Gesammelte Abhandlungen von Ferdinand Freiherrn von Andrian-Wernburg
, Wien: Anthropologische Gesellschaft 1915
Arens, Werner/Braun, Hans-Martin:
Die Indianer Nordamerikas. Geschichte, Kultur, Religion
, München: C.H.Beck 2008
Bischoff, Erich:
Mystik und Magie der Zahlen
, Wiesbaden: Fourier 1994
Boll, Franz:
Die Lebensalter. Ein Beitrag zur antiken Ethologie und zur Geschichte der Zahlen
, Leipzig/Berlin: Teubner 1913
Cassirer, Ernst:
Die mythische Zahl
, in: Ernst Cassirer:
Philosophie der symbolischen Formen. 2. Teil. Das mythische Denken
, Hamburg: Meiner 2002
Cheiro:
Das Buch der Zahlen
, Freiburg: Bauer 1964
Eliade, Mircea:
Schamanismus und archaische Ekstasetechnik
, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1975
Eliade, Mircea:
Mythos und Wirklichkeit
, Frankfurt am Main: Insel 1988
Faure, Paul:
Magie der Düfte. Eine Kulturgeschichte der
Weitere Kostenlose Bücher