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Sieben

Sieben

Titel: Sieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Schlueter
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in einer der zahlreichen Himmelssphären herum. Wie anders als im körperlosen – gleichsam seelenreinen – Zustand
     könnte der Schamane wohl mit jenen Geistwesen kommunizieren, ihnen die entführte Seele abschwatzen und diese wieder mit dem
     Körper des Erkrankten vereinigen?
    Drittens: die Initiation. Das »heilige« Wissen, das den Schamanen zur Kommunikation mit den Geistern befähigt, zu Zauber,
     Krankenheilungen und Wetterprophetie, kann der Schamane nur auf eine einzige Art erwerben: durch die schamanische Initiation.
     Erst wenn der angehende Schamane gelernt hat, sich mittels dehydrierender Schwitzbäder, durch Fasten, Trommeln, Tanz, Gesang
     sowie teils toxische Ingredienzen in Ekstase zu versetzen, erst wenn er seelische Folter und Schmerz zu ertragen gelernt hat,
     erst wenn er während besagter Initiation die spirituelle Erfahrung von Selbstzerstückelung und Wiederzusammenfügung gemacht
     hat, erst wenn er unempfindlich gegen äußerste Glut geworden ist, wenn er sämtliche Himmels- und Unterweltpfade kennt, ist
     er in der Lage, eine Krankenseele bis zum tiefsten Grund des Meeres oder dem entlegensten Ort des Himmels zu verfolgen und
     wieder heimzuholen. Nur dann kann der Schamane die Seele eines Verstorbenen sicher an ihr Ziel begleiten, nur dann schließen
     sich ihm jene freundlichen Hilfsgeister an, die er braucht, um sich gegen Dämonen zu behaupten, um Informationen über verschwundene
     Gegenstände,über das kommende Wetter oder andere zukünftige Ereignisse zu erlangen. Und erst dann darf sich der Schamane durch ein eigenes
     rituelles Gewand von der übrigen Gemeinschaft abheben.
    Schließlich viertens: das Zentrum. Mögen bisher allenfalls schwache Anklänge an geläufige religiöse Rituale erkennbar gewesen
     sein, so wirkt die schamanische Vorstellung des Zentrums massiv in alle evolutionären Religionen hinein. Lange bevor in den
     Hochkulturen Mesopotamiens, des Nildeltas oder des Industals von kosmischen Bergen die Rede sein konnte, lange bevor die ersten
     Pyramiden, Zikkurats oder Tempel himmelwärts wuchsen, herrschte im Schamanismus die Vorstellung eines Weltenbaums, einer Weltsäule
     oder einer kosmischen Säule vor – kosmologische Begriffe, denen in der schamanischen Praxis meist ein Erdhügel, ein Pfahl,
     eine Birke, eine Leiter oder der Mittelpfahl des Schamanenzelts entsprechen.
    Hier – und nur hier – wird geopfert und gebetet, nur hier öffnet sich der Weg zum »Göttlichen«. Von hier aus tritt der Schamane
     seine »himmelwärts« führende Seelenreise an – meist begleitet von Wegbeschreibungen und freundlichen Hilfsgeistern. Als spirituelle
     »Aufstiegshilfe« können dem Schamanen »Leichtigkeit« suggerierende Federn dienen, Rauch, Lianen oder Bäume. Manchmal – wie
     etwa bei den brasilianischen Taulipang – reicht dem Schamanen ein heißer Lianen-Aufguss, um anschließend spirituell in Richtung
     Mond abzuheben.
    Vergleicht man die schamanischen Vorstellungen auf der südlichen mit jenen auf der nördlichen Erdhalbkugel, überwiegen auf
     den ersten Blick die Gemeinsamkeiten: So herrscht beispielsweise sowohl nördlich wie südlich des Äquators die Vorstellung
     eines »Himmelszeltes« vor. So wähnen beide Hemisphären die Milchstraße als Himmelsnaht, in beiden gelten die Sterne als jene
     »Fenster zur Welt«,durch die die Geister und Götter bei Bedarf in Meteoritengestalt zur Erde hinabfahren. Auch begegnet man beiderseits des Äquators
     der Vorstellung, dass das Himmelszelt an den äußeren Rändern der Erde aufliegt und dass durch Verschiebungen an den Auflagern
     Winde und Stürme in den Kosmos der Erdbewohner eindringen.
    Keiner schamanischen Praxis der südlichen Erdhemisphäre liegt allerdings jene besondere Vorstellung zugrunde, wie sie den
     meisten Schamanen der nördlichen Erdhemisphäre vertraut ist – egal ob sie am Fuße des Ural, im Altaigebirge, in der Mongolei,
     in Lappland, Finnland, Kirgistan, Nordindien, Sibirien, der Arktis oder in Japan beheimatet sind.
    Die schamanische Technik par excellence
, schreibt der Religionswissenschaftler Mircea Eliade in seinem, diesem Kapitel teilweise zugrunde liegenden, vortrefflichen Buch ›Schamanismus und archaische Ekstasetechnik‹,
besteht im Übergang von einer kosmischen Region zur anderen: von der Erde zum Himmel oder von der Erde zur Unterwelt. Der
     Schamane kennt das Geheimnis des Durchbrechens der Ebenen.
    Besagtes Geheimnis offenbart sich, vereinfacht ausgedrückt, in

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