Siebenschön
bei Selfstorage Piontek angemietet hat. Er wusste nicht mal, dass die Firma existiert.«
»Das glaub ich ihm aufs Wort«, knurrte Em.
3
»So hat er dich also geködert«, flüsterte Em, als sie wenig später in Sarah Kindles Schlafzimmer vor einem Foto der Ermordeten stand.
Den Kollegen von der Spurensicherung war ein Zettel in die Hände gefallen, auf dem Sarah Kindle ganz offenbar einen Termin notiert hatte: »16 Uhr 30«, stand auf dem unscheinbaren weißen Haftzettel. Und dahinter der Name: »J. ENDRISS «. Gehling hatte herausgefunden, dass es in Wiesbaden einen Anwalt namens Jakob Endriss gab, der als ausgemachter Spezialist in Sachen Erbrecht galt. Er war Seniorteilhaber einerrenommierten Sozietät, übernahm jedoch aufgrund seines fortgeschrittenen Alters nur noch ausgewählte Fälle und verbrachte viel Zeit auf Teneriffa. Vor allem in den Herbst- und Wintermonaten.
»Erst hat er dir vorgegaukelt, dass du um dein teuer bezahltes Erbe fürchten musst, indem er dir einen fingierten Brief deiner Stieftöchter schickte. Und dann hat er dir seine Hilfe angeboten.« Em nickte stumm vor sich hin. »Er hat sich als Erbrechtsfachmann ausgegeben und sich mit dir verabredet. Und als du ihm den Rücken zugedreht hast, hat er dich überwältigt und zu diesem Lagerhaus gebracht, wo er dich in die Box mit den ausrangierten Sachen seiner Großeltern gesperrt und dir intravenös Chemotherapeutika injiziert hat.«
»Reden Sie mit uns?«, fragte einer der beiden Spurentechniker, die soeben das Zimmer betraten.
»Nein«, wiegelte Em eilig ab. »Ich hab nur laut gedacht.«
Als ihr Handy sich meldete, zuckte sie erschrocken zusammen.
»Em, hi!«
Angelo …
»Ich bin im Dienst.«
»Ich mach’s ganz kurz …«
»Hast du was an den Ohren?«, gab sie zurück. »Ich sagte, ich kann jetzt nicht, okay?«
»Es dauert nur zwei Minuten«, erwiderte ihr Bruder, und wie so oft fragte sie sich, wieso ein Nein innerhalb ihrer Familie so wenig Bedeutung hatte. Vor allem, wenn es von ihr kam. Im Job war sie bekannt für ihre klaren Ansagen und ihre unmissverständliche Direktheit, doch die schien sich gegen die stoische Ignoranz ihrer Eltern und Brüder einfach nicht durchsetzen zu können. »Es ist nur wegen …«
»Du hast mich nicht verstanden«, fiel sie ihrem Bruder abermals ins Wort. »Ich habe im Augenblick keine Zeit für ein privates Telefonat. Geschweige denn für irgendwas anderes.«
Jetzt lachte er. »Wieso? Du telefonierst doch gerade mit mir.«
»Weil du mich auf demselben Handy anrufst, auf dem jederzeit wichtige Infos von meinen Kollegen reinkommen könnten.«
»Dann stell doch einfach auf Anklopfen.«
»Herrgott noch mal, Angelo!« Allmählich hatte sie wirklich genug. »Ich sagte, ich habe zu tun. Und selbst wenn ich diese zwei Minuten erübrigen könnte, von denen du behauptest, sie würden ausreichen, obwohl du in deinem Leben noch nie irgendetwas in zwei Minuten zustande gebracht hast …« Sie schnappte nach Luft. »Also selbst wenn ich diese beschissenen zwei Minuten erübrigen könnte, habe ich keine Lust, mich mit irgendeinem völlig überflüssigen Mist zu befassen, der dieser Familie zufällig gerade mal wieder in den Sinn kommt, ist das jetzt klar geworden?«
Die beiden Spurentechniker, die jetzt im angrenzenden Bad zugange waren, drehten angesichts ihres harschen Tons die Köpfe.
»Das wird Mama nicht gefallen«, antwortete ihr Bruder in seinem beleidigten Bubi-Ton.
»Das ist mir so was von …«
»Und sie nimmt dich ja nun auch wirklich nicht oft in Anspruch.«
»Angelo, es reicht!« Em wäre am liebsten durch den Hörer gesprungen vor Wut über seine Anmaßung und darüber, dass er es doch wieder geschafft hatte, sie in ein Gespräch zu verstricken. »Hast du dir mal zugehört?«
»Was meinst du?«
»Sie nimmt dich ja nun wirklich nicht oft in Anspruch«, ahmte sie seinen Tonfall nach. »Nur weil du keinen Bock hast, deinen faulen Hintern aus dem Sessel zu schwingen, um für Onkel Ernesto und Tante Gloria und all die anderen glorreichen Mitglieder dieser glorreichen Familie einkaufen zu gehen, brauchst du mir kein schlechtes Gewissen zu machen, klar? Das lasse ich mir nicht mehr gefallen.« Sie nahm das Handy ans andere Ohr, weil das eine plötzlich glühend heiß war. »Glaub mir, ich habees ein für alle Mal satt, immer und überall die Arschkarte zu haben. Und jetzt entschuldige mich, ich muss arbeiten.«
Sie beendete das Gespräch, und die beiden Spurentechniker senkten eilig die
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